Ausgabe 11 - 1999berliner stadtzeitung
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"Alle wußten, was wir da machen, ist sinnlos"

Auszüge aus einem Gesprächsprotokoll mit Katharina

Ich bin zum Arbeitsamt gegangen, weil ich jemand hatte, der mir eine ABM-Stelle angeboten hat, und dort wollte ich fragen, ob die Möglichkeit bestünde die Kosten zu übernehmen und hab eigentlich auch nicht gedacht, daß es da Schwierigkeiten gibt. Ich war damals elf Monate arbeitslos und bin da hingekommen, und dann hat die gute Frau zu mir gesagt: "Sie sind erst elf Monate arbeitslos, und erst ab einem Jahr hat man Anspruch auf eine ABM-Stelle und ich hab hier aber was ganz tolles für sie, eine Feststellungsmaßnahme." Dann hab ich erst mal ein bißchen entgeistert geguckt und hab gefragt, was das ist. Da hat sie mir eigentlich gar nicht viel erzählt, sondern nur gesagt, daß es sicherlich gut für mich wäre, daß sie sich gut vorstellen kann, daß mir das was bringt. Ich hab noch gefragt, was ich dagegen machen könnte, und da hat sie dann gesagt, "Sie brauchen das nicht zu nehmen, aber dann kriegen sie eben auch kein Geld mehr von uns." Das war für mich das erste Mal in meinem Leben, daß ich das Gefühl hatte, daß ich überhaupt nichts machen kann, daß ich gezwungen werde irgendwas zu tun und keine Möglichkeit habe, mich zu wehren. Na, dann hab ich mir das noch mal überlegt, und dann hab ich mich da angemeldet. Daraus hab ich nur wieder gelernt, daß man nie zu seinem Sachbearbeiter gehen sollte, wenn man das vermeiden kann.

Ich habe mich dort total gelangweilt. Wir haben am Anfang ein tolles Programm gekriegt, was da alles stattfinden soll, da war ganz viel Bewerbungstraining dabei und jede Menge EDV-Kurse, Marketingveranstaltungen und so was. Es schien aber gleich am Anfang so, daß das an den Bedürfnissen der Teilnehmer völlig vorbeigeht. Das waren einerseits junge Leute, die begründet arbeitslos waren, also eher selbstgewählt, und die im sozialen Bereich Berufe hatten, und dann waren auch noch ältere Teilnehmer dabei, die Biologie und so was studiert hatten, und für die alles überhaupt nicht in Frage kam. Es ging permanent darum, sich selbständig zu machen und eine eigene Firma aufzumachen, was keinen betroffen hat, und dann war auch so kraß, daß uns von den Dozenten immer mitgeteilt worden ist, daß sie ja in derselben Situation waren wie wir, aber sie haben sich engagiert und haben´s dann geschafft sozusagen, indem sie vor uns stehen.

Einmal sollten wir eine Bewerbung schreiben, so beim Bewerbungstraining, und ich habe mir aus einer Zeitung eine Annonce rausgesucht für eine Stelle in München und hatte mich da beworben. Da hat die Frau mich dann gefragt, ob ich die denn auch abschicken würde, und da hab ich gesagt, "Ich hab ja noch dieses berufsbegleitende Studium in Berlin" und da hat sie gemeint, "Das ist ja nur ´ne halbe Stelle, da könnte man doch immer hin- und herfahren." Auf dem Niveau hat sich das dann bewegt. Zum Teil war das so, daß von den älteren Teilnehmern viele auch wegen ihrer Ostvergangenheit keine Stelle gekriegt haben, da waren aber auch Dozenten dabei, die die von früher kannten, wo die einen es eben geschafft hatten und die anderen nicht. Die einen sind als Dozenten da untergekommen, und die anderen wurden in so eine Maßnahme gesteckt.

Das einzig Positive, was mir die Maßnahme so gebracht hat, ist, daß ich bis dahin nie Leute kannte, die wirklich unter ihrer Arbeitslosigkeit leiden, und es da zum ersten Mal bei diesen 50 jährigen gesehen habe, wie schlimm das ist, daß sie einfach völlig ihrer Anerkennung beraubt worden sind, die sie vorher im Beruf gekriegt haben und eigentlich auch keine Chance mehr haben, was aber von diesem Maßnahmenträger überhaupt nicht akzeptiert worden ist. Es wurde immer alles auf die Stufe gestellt, wenn man nur will und die richtige Form der Bewerbung wählt und sich richtig verkauft, dann wär das alles kein Problem.

Man wurde behandelt wie in ´ner Klippschule. Ich bin einmal eher gegangen, ich weiß gar nicht, ob ich ein Termin hatte, oder ob ich das nur gesagt habe, jedenfalls ist dann die Dozentin noch hinter mir hinterhergerannt und hat gesagt, ich solle mich doch dann bitte noch vorher förmlich bei ihr abmelden, und wenn Leute zu spät von der Pause gekommen sind, wurden sie darauf hingewiesen, daß das sich nicht gehört. Das war unter aller Kritik. Das Problem war, denke ich, daß alle wußten, was wir da machen, ist sinnlos und die Dozenten das aber uns gegenüber nicht zugeben konnten, daß die das dann so durchgedrückt haben, was die uns da Tolles anbieten, obwohl ihnen eigentlich klar war, daß wir alle unfreiwillig da sind und daß uns das auch nichts bringt, also hoffe ich jedenfalls, daß ihnen das klar war. Diese Diskrepanz, daß es sinnlos war und keiner drüber sprechen konnte oder, daß wir drüber gesprochen haben, aber die Dozenten sich immer nur verteidigt haben, statt zu sagen, ich mach euch das Leben nicht schwer, und ihr laßt mich dafür auch in Ruhe.
Aufgezeichnet von:
Juliane Westphal

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  Ausgabe 11 - 1999