Ausgabe 11 - 1999berliner stadtzeitung
scheinschlag

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"Eine Lethargie, die symptomatisch ist..." *

Andreas Kötters Versuch einer Wendegeschichte

Jonathan liebt Katja, manchmal auch Christina, aber eigentlich vor allem Katja. Viktor liebt Katja auch, aber irgendwie anders. Überhaupt ist Viktor ein ganz anderer Typ als Jonathan, der Tagträumer - viel bodenständiger, ein Siegertyp eben. Schließlich schafft Viktor es auch und ist richtig mit Katja zusammen, und Jonathan bleibt der Verlierer. Trotzdem betrügt Viktor Katja mit Peggy, was Katja natürlich auf keinen Fall ...

Oder war Viktor gar nie wirklich mit Katja zusammen, weil die eigentlich den sensiblen Jonathan liebt? Und hat hier eigentlich irgendwer Katja vergewaltigt? Was Katja über die ganze Chose denkt, ist jedenfalls irgendwie unwichtig.

Andreas Kötters literarisches Erstlingswerk "Gespalten" erzählt die Geschichte einer Dreiecksbeziehung zwischen zwei Männern und einer Frau. Von hinten aufgerollt schildert Kötter (Jahrgang 1975) die Entwicklung der drei von pubertären, kiffenden Gymnasiasten zu mehr oder minder gefestigten, kiffenden Mittzwanzigern. Die Erzählperspektive wechselt dabei ständig zwischen den dreien - und was eigentlich der narrative Clou sein soll, stiftet zumindest in der ersten Hälfte des Buches bloß Verwirrung. Ohne erkennbar wechselnde erzählerische Elemente hüpft der Autor hier zwischen Katja, Jonathan und Viktor herum, daß vor lauter Desorientierung der Lesefluß zeitweise vollends abhanden kommt - fehlende Kommas vor Relativ- und anderen Nebensätzen tun ihr übriges.

Orientierung bietet hier auch nicht, daß sich die Beziehungsodyssee vor dem Hintergrund des "gesellschaftlichen Umbruchs in der Wendezeit" abspielt - das zumindest behauptet der Klappentext. Den Deckmantel der politisch-gesellschaftlichen Erzählmotivation zieht sich die Novelle aber zu Unrecht über: Zwar fällt die Mauer gerade dann, als auf Katja, Jonathan und Viktor auch die emotional irritierenden Wogen der Pubertät einstürzen; nie aber haben die scheinbar unumgänglich eingearbeiteten Umwälzungen des Mauerfalls etwas mit der Beziehung der drei Protagonisten zueinander zu tun. Sie können deshalb nur Kulisse bleiben in dieser Reifezeitnovelle, die die Ostklischees manchmal ironisch bricht, meistens aber achselzuckend stehenläßt.

Übrig bleibt eine Liebesgeschichte, die da ihre Stärken hat, wo das Wechselspiel zwischen Jonathans Fiktion und der "Wirklichkeit" gelingt und Spannung erzeugen kann; und da, wo Jonathan seine Verliebtheit und die Verwirrungen der Entwicklungsjahre ironisch und mit Distanz beschreibt und damit sich und seine Freunde als Stereotypen entlarvt - eine Entwicklung, die manchen Helden der sogenannten Popliteratur abgeht. Schwach ist die Geschichte aber immer dann, wenn sie nach jugendlicher Kiffermanier metaphernüberladen einen trotzigen Blick auf die Erwachsenenwelt wirft und in sprachlicher Hilflosigkeit versucht, mehr zu sein als eine Pubertätsnovelle.
Claudia Gabler

Andreas Kötter: Gespalten. Novelle. Faden-Verlag, Berlin 1999, 19,80 DM

*"... für eine ganze Generation, der [sic] Generation Berlin." (Verlagswerbung zum besprochenen Buch.)

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  Ausgabe 11 - 1999