Ausgabe 11 - 1999berliner stadtzeitung
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Endlich! Kultur! In Friedrichshain!

Das Kreuzberger STÜKKE-Theater wechselt die Seiten und zieht (wahrscheinlich) in das neu zu eröffnende Kulturhaus "Palisade" in der gleichnamigen Straße

Vor kurzem sah es noch aus, als sei das "STÜKKE"-Theater am Ende. Der Vermieter der "Höfe am Südstern" hatte Konkurs angemeldet, der Berliner Senat für das Jahr 2000 noch keine Fördergelder zugesichert. Seit neuestem aber soll und will das Theater seine "Stücke für die Großstadt" im neuen Friedrichshainer Kulturhaus "Palisade" in der Palisadenstraße spielen. Ab März nächsten Jahres soll es hier sein festes Domizil bekommen - größer und noch ambitionierter als bisher.

Die Interessen haben sich bei der Ortsfindung gekreuzt: Stefanie Kuch-Steudemann, Intendantin und zusammen mit Ihrem Mann Holger Steudemann Gründerin und Betreiberin des STÜKKE, war bei ihrer Suche nach einem neuen Standort auf das noch im Umbau befindliche ehemalige Umspannwerk in der Friedrichshainer Palisadenstraße gestoßen. Praktisch gleichzeitig hatte dessen künftiger Betreiber, die gemeinnützige "Akanthus Kulturmanagement und Veranstaltungsservice" bei Steudemann angefragt, ob sie nicht das geplante Theater in der "Palisade" übernehmen wolle. Man wünschte für das neue, unbekannte Haus im bisher kulturell wenig versorgten Friedrichshain einen in der Berliner Theaterszene schon etablierten Namen.

Die Produktionsgruppe "Stücke für die Großstadt", aus der 1993 das STÜKKE-Theater hervorging, und zu der neben dem Ehepaar Steudemann auch der Regisseur und neue künstlerische Leiter Donald Berkenhoff und als dramaturgischer Berater Klaus Schulze gehören, hat sich in ihrem 15jährigem Bestehen ein gewisses Renommee durchaus erarbeitet. Schon letztes Jahr, als ihnen der Etat um 15 % gekürzt worden war, setzten sich der Autor und Co-Direktor der "Bonner Biennale - Stücke für Europa", Tankred Dorst, sowie die Lektoren der großen Bühnenverlage S.Fischer und Henschel persönlich bei Kultursenator Peter Radunski für das STÜKKE ein.

Auf eben jener Biennale hatte im Juli 1998 Stefanie Kuch-Steudemann die "Belgrader Trilogie" der damals noch unbekannten serbischen Autorin Biljana Srbljanovics gesehen und sich um die deutschen Erstaufführungsrechte bemüht. Doch die Zusage für die Fördergelder des Senats für das Jahr 1999 kam erst im Dezember. Da waren die Rechte bereits vergeben - seit genau zwei Tagen .

Mit der neuen Spielstätte im Rücken legten die Betreiber also dem Berliner Senat im August 1999 ein neues Konzept vor. Das STÜKKE soll nun ganzjährig betrieben werden. Pro Jahr sind vier Ur- oder Erstaufführungen zeitgenössischer Dramatik geplant, die an deutschen Bühnen weiter unterrepräsentiert ist. Hierin sieht die Truppe ihre Berechtigung in der Berliner Theaterszene und hat sich mit dieser Ausrichtung einen festen Platz gesichert.

Da die Fördergelder für das Jahr 2000 wegen der Neubildung des Senats endgültig erst im April nächsten Jahres vergeben werden, riet Kulturstaatssekretär Lutz von Pufendorf, für die Anfangsfinanzierung einen zusätzlichen Förderantrag bei der "Stiftung Klassenlotterie" zu stellen - und versprach, diesen "emphatisch zu unterstützen". Und das STÜKKE braucht am neuen Standort mehr Geld. Statt wie zuletzt 260 000 DM sollen es jetzt 940 000 DM werden, die Hälfte davon soll die Klassenlotterie beisteuern.

Die "Stiftung Klassenlotterie" wird über den Antrag wohl Anfang Dezember diesen Jahres entscheiden. Spätestens zum 1. Januar nächsten Jahres braucht das Theater einen positiven Bescheid, sonst kann der Mietvertrag für den denkmalgeschützten Bau nicht unterschrieben werden. Der bisherige technische Leiter des STÜKKE, Nikolaus Voegele, richtet derweil schon die Technik des neuen Theaters ein - denn einen Spielbetrieb wird es in der "Palisade" auf jeden Fall geben. Im Januar soll das gesamte Kulturhaus eröffnet werden. Es gehört zum von der EU geförderten und vom Bezirksamt geleiteten Pilotprojekt "Strategien für Friedrichshain", mit dem man eine "wirtschaftliche, soziale und kulturelle Belebung des Bezirks" erreichen will.

Zum Ende des - wegen Erfolgs verlängerten - "Forever Godard" heißt es inzwischen übrigens "Forever STÜKKE", und wenn es auch in Friedrichshain ist.
Bernd Hettlage

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