Ausgabe 07 - 1999berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis


Zur Homepage

Deutschland bis zum Herbst

50 Jahre deutsche Filme

Schon seit dem 23. Mai läuft im Martin-Gropius-Bau die Ausstellung "Einigkeit und Recht und Freiheit - die Wege der Deutschen 1949-1999". Anlass dafür ist der 50. Geburtstag des bundesdeutschen Grundgesetzes, das ja seit nunmehr 10 Jahren für uns alle Deutsche gilt. Deswegen geht das Ganze auch noch bis zum 3. Oktober.

Während die Ausstellung selbst mit ihren zahlreichen Weisst-du-noch-Exponaten durchaus auch als kostenloser (!) Familienausflugstip für verregnete Sonntage geeignet ist, bedient die begleitende Filmreihe des Zeughaus-Kinos zum Grossteil doch eher die intellektuelle Klientel. Schließlich geht es den Programmgestaltern von FILM - WIRKLICHKEIT - DEUTSCHLAND darum, "die Interdependenzen und Divergenzen zwischen der Zeit und den Inhalten... festzuhalten". Nun ja. Wen der hehre Anspruch nicht abschreckt, findet in dem umfangreichen, leider registerlosen Programmheft Altbekanntes von "Katzelmacher" bis "Lola rennt", ergänzt von der Handvoll DEFA-Produktionen, die im Kino Börse jede Woche zu sehen sind. Und Zadeks "Ich bin ein Elefant, Madame" ist wieder mal nicht dabei.

Den lobenswerterweise das Programm ergänzenden Fernsehbeiträgen hätte allerdings ein Mehr an Klassikern nicht geschadet. Es muß ja nicht "Raumschiff Orion" sein, aber "Rappelkiste", "Wünsch dir was" oder "Stahlnetz" wären ebenso für einen Rückblick auf die bundesrepublikanische Gesellschaft gut gewesen wäre wie das auch fehlende (!) Interview von Günter Gaus mit Rudi Dutschke. Umgekehrt scheint der Ostbürger ausser "Polizeiruf 110" tatsächlich meistens Westfernsehen geguckt zu haben.

Einen direkten Vergleich des westdeutschen mit dem DDR-Fernsehschaffen gestattet die minimale Auswahl aus dem Deutschen Rundfunkarchiv (zusammengestellt vom West-Medienwissenschaftler Thomas Beutelschmidt) also leider nicht.

Daß einige der Veranstaltungen in der Rubrik "Fernsehspiele von ARD und ZDF" trotz allem lohnenswert sind, hängt mit ihrer seltenen Präsenz auf dem Bildschirm zusammen. Wer erinnert sich schon noch an Peter Beauvais´ "Im Reservat" (1973), in dem sich eine Rentnerin und ihr transvestitischer Untermieter gegen den Abriß ihres Mietshauses wehren, weil sie ihre ungewöhnliche Lebensgemeinschaft gefährdet sehen? (20.7., 20.30 Uhr).


Aus dem gleichen Jahr stammt Roland Galls "Ermittlungen gegen Unbekannt", eine Studie staatlicher Repression. Nach dem Tod eines bei einer Strassendemonstration ums Leben gekommenen Studenten ermitteln Staatsanwaltschaft und Bruder des Toten mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Drehbuchautor Günther Wallraff wird am 29.7., 20.30 Uhr, eine Filmeinführung geben.

Während sich Edgar Reitz in seiner "Stunde Null" (1977) mit den Anfangsstunden der Deutschen nach Kriegsende beschäftigt (5.8., 20.30 Uhr), demonstriert Adolf Winkelmann, einer der sozial Engagierten des deutschen Films, in "Die Abfahrer" (1978) seine Verbundenheit mit dem Volke. Im Mittelpunkt stehen drei arbeitslose Duisburger auf der Suche nach Freiheit vom erdrückenden Alltag. Gespielt wurde überwiegend mit Laiendarstellern. In diesen sozialen Background fällt auch Marianne Lüdckes Verfilmung von Leonie Ossowskis "Die große Flatter" (1979). Zu sehen sind Teil 2 und 3 am 28.8., 18.15 + 20.30 Uhr.

Schade, daß Dokumentarreihen wie die umstrittene wie populäre Reihe "Zeichen der Zeit" vom SDR keinen Eingang in die Auswahl fanden. Bleibt darüber hinaus noch, historisch Interessierte auf das RE-EDUCATION-PROGRAMM hinzuweisen, in dem die Ex-Hitler-Deutschen anhand von Lehrfilmen ihre Kenntnisse der Demokratie auffrischen sollten. Die von den Alliierten erzwungene Auseinandersetzung mit der unrühmlichen deutschen Vergangenheit war jedoch zugunsten des Wiederaufbaus schon nach kurzer Zeit abgeschlossen. Filmbeispiele sowie ein Vortrag von Heiner Ross, Kinemathek Hamburg, laufen am letzten Juliwochenende.

Die Filmreihe endet mit Heinrich Breloers grossem RAF-1-Film "Todesspiel" und Frank Beyers "Nikolaikirche".
Wir sind das Volk.
go + bwh

Vorstellungen noch bis zum 2. Oktober täglich ausser montags im Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstr. 7, am Anhalter Bhf.

© scheinschlag 2000
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 07 - 1999