Ausgabe 04 - 1999berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Schöner essen in Friedrichshain

Volxküchen sind angenehme Orte und laden zum Bleiben ein

Vokü - was`n das? `Ne Abkürzung natürlich. Dafür, daß Menschen an einen Ort gehen, der nicht Restaurant oder Imbiß heißt, und dort zum Selbstkostenpreis leckeres, hausgemachtes Essen genießen. Auch dafür, daß Menschen sich bereiterklären, für andere - und ohne etwas dabei zu verdienen - zu kochen. Und natürlich ist es die Abkürzung für Volxküche: Essen für jeden - und alle zusammen!

Eine Auflaufform mit Kartoffelgratin steht wie bei Großmuttern auf dem Ofen, Teller gibt es an der Theke, jeder kann sich selbst bedienen, Menschen aus vielen Ländern sitzen um einen Tisch herum und essen, da hinten kickern welche, einer sitzt ganz alleine da und ißt, Musik: Vokü in der UnsichtBar.

Nach der Legalisierung ihres ehemals besetzten Hauses haben die Bewohner mit viel Liebe die Räume im Parterre umgestaltet: Bar, Kicker, Sessel, Fernseher, bemalte Wände, eine Skulptur in der Raummitte. Die Gemeinschaftsräume sind offen für alle Menschen, die dazukommen wollen: Über drei provisorische Stahlstufen steigt man durch das Fenster ein - der abenteuerlichste Eingang aller Voküs - und ist plötzlich in einer warm beleuchteten, bunten, selbstorganisierten Welt. Hier gibt es nicht nur Essen, sondern auch Konzerte, Filme, Theater, Jam Sessions und lange Kneipennächte.

Ganz ähnlich und doch überall mit einer ganz eigenen Note sieht es in den Kneipen der zehn weiteren ex-besetzten Häuser aus - mal mit etwas mehr Chic, mal punkiger, mal voller Menschen und manchmal auch ganz verlassen, als wäre die Zeit der Voküs schon vorbei. Wenn veganer Nudelauflauf im Sama-Café, Spinat mit Ei und Kartoffeln in "der Kreutziger", Reis mit Auberginen-Erdnußsoße in der Rigaer 94 serviert werden, als Nachtisch mit etwas Glück ein Kuchen oder Pudding, wenn Familien und Punks und ganz normale Arbeitslose und Studenten im Zielona Gora zum Sonntags-Frühstücksbuffet kommen oder halb Friedrichshain im Klassik-Café am Sonntagnachmittag im Supamolly den besten Kuchen der Stadt genießt, dann ist das nicht nur ein Stück linker Subkultur.

Vielmehr kann hier jeder eine alternative Infrastruktur erleben, die der alltäglichen Infrastruktur von Supermärkten, Schnellrestaurants, Autoverkehr und Fortschritt eines voraus hat: sie bringt Menschen zusammen und schafft Orte, die zum Bleiben einladen, auch dann, wenn der Geldbeutel so klein wie die Lust aufs pure Konsumieren ist. Möglich ist das nur dadurch, daß diese Infrastruktur vollkommen privat organisiert ist, niemand ein Geschäft damit macht und nicht zuletzt dadurch, daß sich Menschen über Jahre unter dem bösen Blick der Öffentlichkeit einen Lebensraum erkämpft haben, der durch die Selbstverwaltung von Häusern den Spielraum läßt, das zu veranstalten, was sich kein Gastronom leisten könnte: Voküs.
Guido Rörick

Friedrichshainer Wochenspeiseplan

Mo Rigaer 94, SF ab 20 Uhr
Kreutziger 19, Frühstück & Vokü 12-22 Uhr
Sama-Café, Samariterstr. 32, veganes Frühstück ab 12 Uhr
X-B-Liebig, Liebigstr. Ecke Rigaer, in der Frauen-Kneipe jeden 1. Mo im Monat
Di Rigaer 94 , SF ab 20 Uhr
Kreutziger 19, Café und evtl. Vokü 12-22 Uhr
Kontrollpunkt, Rigaer 83 20 Uhr
Mi Schreiner-Kneipe, Schreinerstr. 47 21Uhr
Sama-Café ab 19 Uhr
Kreutziger 19, Café & Vokü 12-22 Uhr
X-B-Liebig, immer der 2. Mi im Monat etwa ab 21 Uhr
Fischladen, Rigaer 83 18 Uhr
Unsichtbar, Liebigstr. 16 und 20 Uhr
Do Rigaer 94 SF ab 20 Uhr
Schreiner 5 19.30 Uhr
Unsichtbar 20 Uhr
Fr Zielona Gora, Grünberger Str. 73, Kiezfrühstück 11-13 Uhr
Kreutziger 19, Frühstück & Vokü 12-22 Uhr
Sa Unsichtbar 20 Uhr
So X-B-Liebig 21 Uhr
Zielona Gora, Frühstück , Vokü 11.30 Uhr u. 19.09 Uhr
Supamolly, Jessner 41, Klassik-Café 16-20 Uhr

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