Ausgabe 04 - 1999berliner stadtzeitung
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Eishockey oder Wohnen

Investoren interessieren sich für ein autfreies Wohngebiet auf dem Gelände des Stadions der Weltjugend

Unerlaubter Weitschuß des EHC Eisbären. Die neue Eissporthalle des Eishockey-Erstligisten wird nicht gebaut - jedenfalls nicht wie vorgesehen auf dem Gelände des ehemaligen Stadions der Weltjugend. Der Ostberliner Eishockeyclub hatte zusammen mit dem US-amerikanischen Investor "Anschutz" und der Senatssportverwaltung den Plan für eine 15 000 Zuschauer fassende Eisarena auf der Freifläche an der Chausseestraße vorgestellt. "Anschutz", unter anderem auch an der NHL-Profimannschaft Los Angeles Kings beteiligt, will auch die Eisbären übernehmen und 120 Millionen Mark in eine neue Halle investieren, die schon 2001 eröffnet werden soll. Gerüchteweise soll dem Investor das Gelände sogar kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Für die zur Zeit im Dynamo-Sportforum in Hohenschönhausen spielenden Eisbären, die ihre Ost-Identität offensiv vertreten, wäre der Standort am ehemaligen Stadion der Weltjugend optimal - nicht zuletzt auch wegen der zentralen Lage und der guten Verkehrsanbindung.

Doch der Vorstoß ging ins Leere. Sowohl die Senatsverwaltungen für Bauen und Stadtentwicklung als auch der Bezirk Mitte sind gegen die neue Eishockeyarena an diesem Ort. Die offizielle Planung für das Stadiongelände sieht hier ein Wohngebiet vor. 1995/96 fand ein städtebaulicher Wettbewerb statt, doch auch nach einer Überarbeitung des Siegerentwurfs von Max Dudler fand sich dafür bisher kein Investor. Deshalb gab es auch Jahre, nachdem das Stadion im Olympiawahn abgerissen wurde, keine baulichen Aktivitäten - seit ein paar Jahren wird dort Golf gespielt.

Der Stillstand brachte die Fußgängerschutzvereinigung "per pedes e.V." auf die Idee, hier ein autofreies Stadtviertel vorzuschlagen (scheinschlag 12/98). Der im Juni 1998 vorgestellte Entwurf von Markus Heller und Andrea Müller wird leider auf etwa 450 Wohnungen reduziert werden müssen, weil die Planungsvorgaben des Senats ein Drittel des 12 Hektar großen Areals als Sportfläche fordern. Die Grundzüge der Planung für das "autofreie Stadtviertel an der Panke" bleiben jedoch bestehen: dichte Bebauung mit Gewerbeanteil an der Chausseestraße, niedrigere, lockere Wohnbebauung im Inneren des Gebiets.

Im Gegensatz zum Senat haben die Initiatoren bereits potentielle Investoren gefunden. Die "Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892" zeigte grundsätzliches Interesse, hier genossenschaftliche Mietwohnungen zu errichten. Auch der niederländische Bauträger "Kondor Wessels Nord" ist bereit, hier zu investieren. Dessen Geschäftsführer Simon Gielstra wies jedoch darauf hin, daß er das Gelände nur kaufen könne, wenn das Land Berlin mit dem Baulandpreis auf 1000 Mark pro Quadratmeter heruntergeht. Im Gegenzug würde er die Grünanlagen herrichten lassen und Wohnungen bauen, die zu einem Preis von 3-400 000 Mark je Wohneinheit an Eigennutzer verkauft werden sollen.

Auch mögliche spätere Bewohner der autofreien Siedlung haben sich schon gemeldet. Die bisher 60 Interessenten haben mehr Kinder als im Berliner Durchschnitt: Ihre durchschnittliche Haushaltsgröße beträgt 2,17 Personen. Damit zeigt sich, daß ein autofreies Wohngebiet ein wirksamer Beitrag gegen die Abwanderung von Familien ins Umland sein kann. Die bündnisgrüne Abgeordnete Rita Keil schlägt daher vor, die Eigenheimförderung der Senatsbauverwaltung umzuschichten. Statt neue Stadtrandsiedlungen wie zum Beispiel die Elisabethaue zu subventionieren, solle das Geld für kinder- und familiengerechte Wohnbedingungen in der Innenstadt ausgegeben werden.

Felix Beutler vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) weist auf den symbolträchtigen Ort des geplanten autofreien Gebiets hin: Ganz in der Nähe dieses Demonstrationsprojekts liegt das künftige Verkehrsministerium der rot-grünen Bundesregierung.
Jens Sethmann

Interessenten bitte melden bei: per pedes e.V., z. H. Markus Heller, Große Hamburger Straße 13/14, 10115 Berlin, fon 280 79 40.

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