Ausgabe 02 - 1999berliner stadtzeitung
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Wer kontrolliert die WBM?

Der Verkauf der Reinhardtstraße 15 läßt viele Fragen offen.
Etappensieg im Wöhlertgarten

Die Stühle der beiden Geschäftsführer der WBM wackeln bedenklich. Zu diesem Eindruck konnte man jedenfalls bei einer Anhörung des Bauauschusses des Berliner Abgeordnetenhauses kommen. Zum einen ist durch einen Artikel im Tagesspiegel die Auftragsvergabe der WBM ins Gerede gekommen, zum anderen stellen sich die Abgeordneten aller Fraktionen Fragen über die merkwürdige Verkaufspraxis von Altbauten anhand des Falles Reinhardtstraße 15.

Den Geschäftsführer Falk Jesch scheint eine Geschichte aus seiner Zeit in Bielefeld einzuholen: Er wurde 1986 bei der dortigen Wohnungsbaugesellschaft entlassen, weil er angeblich bei der Auftragsvergabe einen persönlichen Freund bevorzugte. Für diesen Freund, den Ingenieur Kühnel, schreibt er auch heute noch Referenzschreiben, aus denen hervorgeht, daß er als Fachingenieur bei ingesamt 4300 Wohnungen der WBM Auftragnehmer der Gesellschaft ist bzw. war. Der Tagesspiegel kolportiert in diesem Zusammenhang unbestätigte Gerüchte, wonach dabei Korruption im Spiel sei: In den Ausschreibungen von Kühnel im Auftrag von Jesch würden Heizungen eines bestimmten Herstellers vorgeschrieben, ein Teil des Gewinnes dieses Herstellers fließe zurück in die Taschen von Kühnel und Jesch.

Der andere Geschäftsführer, Karl-Heinz Schmidt, war nicht in der Lage, dem Bauauschuß überzeugende Antworten zum dubiosen Verkauf des Grundstücks Reinhardtstr. 15-17 / Am Zirkus 2-3 zu geben. Das Haus wurde am 7. Juli 1998 per notariellem Kaufvertrag für 3,65 Millionen DM an die G+R Altbausanierung Reinhardtstr. 15 GmbH veräußert, das entspricht 1050 DM pro Quadratmeter Wohn- bzw. Gewerbefläche. Zu Jahresende wurden in dem Haus Eigentumswohnungen inseriert: für 6240 DM/m2 Grundfläche und mit garantierten Mieterlösen von 3% des Kaufpreises im Jahr. Begründet wurde der hohe Preis mit der guten Lage gegenüber der FDP-Parteizentrale und der hochwertigen Ausstattung.

Sämtliche Wohnungen wurden veräußert, sogar noch zu einem höheren Preis, wie aus den Kaufverträgen ersichtlich ist: 6700 DM/m2 sind dort verzeichnet - insgesamt rund 27,5 Millionen DM. Den Käufern wird dabei zugesichert, daß die Mieter mit der Sanierung einverstanden sind oder ausziehen wollen - was überwiegend nicht stimmt - und daß bis zum Jahresende 1999 der Bau abgeschlossen ist. Ein krasser Fall von Spekulation auf dem Rücken der Mieter - und nicht zuletzt auch der Erwerber der Eigentumswohnungen, die falschen Versprechungen aufgesessen sind.

Handel im Dunkeln

Vor dem Bauausschuß begründete Schmidt diesen Verkauf mit der ungeklärten Eigentumslage. Jewish Claims habe einen Anspruch angemeldet, sei aber mit dem Verkauf einverstanden gewesen, so daß die WBM nicht an einen anderen habe verkaufen können. Das ist nachweislich Unsinn. Der Käufer des Grundstückes, die Firma G+R Altbauten, wurde erst am Vortag bei der Gesellschafterversammlung einer "Presto sechsundzwanzigste Vermögensverwaltung GmbH", einer Scheinfirma mit Handelsregisternummer, aus der Taufe gehoben, existierte also erst einen Tag und konnte daher noch gar keine Einverständniserklärung von Jewish Claims besitzen. In dem Kaufvertrag ist auch nur von einem Restitutionsanspruch die Rede, nicht aber von dem Anspruchsteller. Dieser erklärte seine Zustimmung zum Verkauf erst am 18. August, also gut sechs Wochen nach Vertragsabschluß, wahrscheinlich gegen Zahlung einer Abfindung. Auf den Anspruch wurde damit jedoch nicht verzichtet. Stellt sich heraus, daß er berechtigt ist, so muß die WBM den Kaufpreis an Jewish Claims weiterleiten. Am 7. Juli wußte diese jedoch von dem Kauf noch nichts - das jedenfalls berichtet ein Mieter, der noch am 9. Juli mit dem zuständigen Abteilungsleiter von Jewish Claims telefoniert hat.

Dieser Mieter, Andreas Becker, betreibt im Haus ein gutgehendes Rucksacktouristenhotel mit insgesamt zehn Beschäftigten. Bereits im März 98 hatte Andreas Becker sich bei der WBM um den Kauf des Hauses beworben. Aber weder sein Antrag auf Investitionsvorrang noch sein Kaufangebot wurde von der WBM angenommen - obwohl Becker einen deutlich höheren Preis als die G+R geboten hat und die entsprechende Finanzierung nachweisen konnte. Auf die Frage warum, blieb Karl-Heinz Schmidt von der WBM eine Antwort schuldig, er verließ die Ausschußsitzung bevor ein Abgeordneter nachhaken konnte.

Entsprechend im Dunklen blieben auch die anderen Punkte: Warum hat sich die WBM mit einem Strohmann eingelassen? Hinter dem Grundstücksgeschäft steht nämlich offensichtlich die Bauverein zu Hamburg AG, die nach Auskunft des Hamburger Mietervereins einen "ganz miesen Ruf" hat. Warum gelten die Mieterschutzklauseln im Kaufvertrag nur mit einer Frist von 5 Jahren? Damit sind sie praktisch wirkungslos - der gesetzliche Schutz vor Eigenbedarfskündigung gilt in Berlin 10 Jahre nach Umwandlung.

Warum wurde der G+R im Kaufvertrag das Recht eingeräumt, auch vor dem Eintrag ins Grundbuch eine Grundschuld in unbegrenzter Höhe aufzunehmen? Diese Grundschuld in Höhe von 5,36 Millionen DM mit 15% Zinsen und 10% einmaliger Nebenleistung ist bereits eingetragen. Kommt es aus irgendeinem Grund zur Rückabwicklung des Verkaufes, so reicht der Kaufpreis von 3,65 Millionen DM nicht aus, um diese Schuld auszulöschen und die WBM bleibt auf dem Rest sitzen.

Wöhlertgarten-Verkauf rückabgewickelt

Verärgert waren die Abgeordneten auch, weil sich die WBM auch in anderen Fällen nicht an die von ihnen beschlossenen Regularien gehalten hat, wonach ein Verkauf vorrangig an die Mieter stattzufinden hat. Auch beim Wöhlertgarten in der Pflugstraße wurden die Mieter nicht vom Verkauf ihres Hauses informiert. Erst nach deren massivem Protest und diversen Pressemeldungen wurde hier der Kaufvertrag rückabgewickelt und den Mietern die Gelegenheit gegeben, sich in Ruhe ein Genossenschaftsmodell zu überlegen. Auch auf die Frage, bei wie vielen der 125 Verkäufe von Altbauten die Mieter zuvor nach ihrem Kaufinteresse befragt wurden, schwieg sich der Geschäftsführer der WBM aus.

Im März wird der Aufsichtsrat der WBM erneut zusammentreten. Die Geschäftsführer werden hier berichten müssen. Wenn die Antworten so unbefriedigend sind wie vor dem Bauausschuß, werden sie wohl nicht mehr lange Geschäftsführer bleiben. Schließlich ist die WBM ja keine Bezirksgesellschaft mehr, sondern kontrolliert mit ihren Tochterfirmen WBF, BEWOGE und WBMI zusammen den Wohnungsbestand einer Großstadt. Da sollte die Geschäftsführung auch den entsprechenden Durchblick haben.
Christof Schaffelder

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