Ausgabe 02 - 1999berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis


Zur Homepage

"Wir haben ganz bestimmt nichts gegen Kinder!"

Doch 1999 bleibt das Kinderschwimmbad Monbijou geschlossen

"Stach`s Restaurant" im Monbijoupark war vollkommen überfüllt. Über 50 Anwohner aus der Spandauer Vorstadt waren zur Bürgerversammlung der Betoffenenvertretung zur beabsichtigten Schließung des Kinderschwimmbades im Monbijoupark gekommen. Auch politische Prominenz war erschienen: von Bundestagsabgeordneten bis zu den Spitzen des Bezirkes Mitte. Die Schließung des Kinderschwimmbades ist ein politisch heißes Thema, vor allem in einem Wahlkampfjahr.

Gekommen war auch der Vorstand der Berliner Bäderbetriebe, Ranz,. Er mußte die Nachricht überbringen, daß das Schwimmbad tatsächlich in diesem Jahr geschlossen bleibt. Dies sei die Überzeugung des Vorstandes, der der Aufsichtsrat allerdings noch zustimmen müsse. Den Bäderbetrieben fehle das Geld um die notwendige Sanierung der Technik durchführen zu können: Die erforderlichen 1,8 Millionen DM seien nicht vorhanden. Die Bäderbetriebe müßten in diesem Jahr mit drei Millionen DM weniger auskommen, der Zuschuß des Senates sei sogar um 5 Millionen gekürzt. Insgesamt stünden nur 13 Millionen DM für die bauliche Unterhaltung der 77 Badeanstalten zur Verfügung. Ohne einen Zuschuß des Senates oder des Bezirkes bleibe das Bad in diesem Jahr zu.

Weiterhin konnten die Anwohner erfahren, daß die Badewasseraufbereitungsanlage des Bades bereits verschrottet, eine kurzfristige Inbetriebnahme also unmöglich ist. Begründet wurde dieser Abbau der Anlagen damit, daß eine ordentliche Keimabtötung im Badewasser nicht gewährleistet war - die Anlage aus der DDR-Zeit, zum Teil noch Baujahr 1960 und entsprechend schadhaft, entsprach nicht der aktuellen DIN-Norm. Zudem sei die Anlage in angemieteten Räumen unter den S-Bahn-Bögen untergebracht gewesen. Deren Eigentümer, die Deutsche Bahn AG, braucht aber einen Teil der Flächen für Müllcontainer, außerdem sei die Mietbelastung zu hoch. Geplant war daher die Verlegung der Anlagen auf das Gelände des Schwimmbades. Um eine moderne Wasseraufbereitung zu installieren sei zusätzlich eine neue Beckenhydraulik notwendig. Weiterhin entsprechen die elektrotechnischen Anlagen des Bades nicht der DIN-Norm - Aluminiumkabel passen nicht ins bundesdeutsche Normengefüge. Entscheidend sei aber die Gesundheitsgefährdung: Hier habe der Vorstand keine andere Wahl gehabt als die Schließung, schon allein das Bundesseuchengesetz zwinge ihn dazu: "Wir haben ganz bestimmt nichts gegen Kinder!", so Ranz.

Der Bezirksbürgermeister von Mitte, Zeller, widersprach dieser dramatischen Darstellung. Der Amtsarzt des Bezirkes habe ihm bestätigt, daß das Wasser zwar keine Top-Qualität habe, aber zu keinem Zeitpunkt eine derartige Minderqualität aufgewiesen hat, daß eine Schließung des Bades habe angedroht werden müssen. Die Verlegung der Badewasseraufbereitung sei zudem bereits im September 1998 beschlossene Sache gewesen, der Bezirk als Eigentümer des Grundstückes habe daher auch die notwendigen Arbeiten für die Herstellung der Baufreiheit auf dem Gelände des Kinderschwimmbades in die Wege geleitet und knappe Haushaltsmittel dafür ausgegeben. Damals sei aber von 1,8 Millionen DM Baukosten nicht die Rede und die Wiederinbetriebnahme des Bades nicht in Frage gestellt gewesen. Aus den knappen Mittel des Bezirkes könne auf keinen Fall etwas für die Sanierung des Bades abgezweigt werden - die reichten noch nicht einmal für die dringendsten Instandsetzungsarbeiten in den Schulen. Zeller, der auch im Aufsichtsrat der Bäderbetriebe sitzt, war verärgert über das Vorgehen der Bäderbetriebe und vermutete hinter der Schließung Finanznöte, die durch die Zuordnung des SEZ an die Bäderbetriebe verursacht worden sind.

Dagegen verwehrte sich Ranz vehement: auch die diskutierte Übernahme des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks in Prenzlauer Berg, des Sportforums Hohenschönhausen, der Anlage Paul-Heyse-Straße und der olympischen Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark habe nichts mit dem Kinderschwimmbad im Monbijoupark zu tun. Zudem verfügten die benachbarten Bezirke Prenzlauer Berg und Friedrichshain über kein eigenes Sommerbad, das SEZ sei für diese Bezirke wichtig. Den Bewohnern aus Mitte riet er zum Besuch des Freibades im Humboldthain oder des Schwimmbades in Tiergarten.

Darüber gerieten die Anwohner natürlich in Wut. Die Fahrpreise, so hieß es, seien für einen großen Teil der Besucher nicht finanzierbar. Ein Vater, der mit seinem kleinen Sohn gekommen war: "Die Schließung ist ein schwerer Schlag für die Familien im Kiez, wir wohnen zum Beispiel auf einem kalten Hinterhof, für uns ist das Schwimmbad im Sommer extrem wichtig". Dem stimmten die meisten anderen zu. Eine Großmutter berichtete von den Tränen ihrer Enkel, als sie ihnen von der Schließung erzählen mußte, andere erinnerten an die Arbeitsleistung, die sie selbst bei der Erstellung des Bades Anfang der sechziger Jahre beigetragen hatten. Auch hatten viele die Vermutung, daß es bei einer vorübergehenden Schließung nicht bleibe und das Kinderbad vollkommen abgewickelt werden solle. "Eine einjährige Schließung führt zum Ruin der Anlage" meinte einer, "vor allem im Sommer gibt es hier so viel Vandalismus, daß ohne Bewachung wahrscheinlich viel zerstört wird. Auch das kostet - nach unserer Einschätzung zwischen 500.000 und 800.000 DM im Jahr!"

Aber erst als der Bezirksbürgermeister Joachim Zeller die Frage des Grundstücksbesitzes ins Spiel brachte, begann der Vorstand der Bäderbetriebe Kompromißbereitschaft zu signalisieren. Zur Zeit befindet sich nämlich die Verordnung auf deren Grundlage die Bäderbetriebe arbeiten, in Überarbeitung. Geplant ist dabei unter anderem, daß die Grundstücke der Bäder von den Bezirken an die Bäderbetriebe weitergegeben werden. "Wenn sich im Monbijoubad nichts spürbares in Richtung Sanierung tut , dann kündigen wir den Pachtvertrag, der ja ausdrücklich zum ,Betrieb eines Kinderschwimmbades« abgeschlossen ist" drohte der Bürgermeister. Erst jetzt griff Ranz eine Anregung einer Bürgerin auf: "Ich werde mich dafür einsetzen, daß geprüft wird, ob nicht wenigstens die Duschen im Sommer in Betrieb genommen werden können, so daß die Kinder sich hier zumindest abkühlen können".

Ranz bestätigte ferner, daß die Bäderbetriebe tatsächlich vorgeschlagen hatten, das Kinderbad zu einem normalen Freibad mit zusätzlichem 25-Meter-Becken zu erweitern. Damit sei der Betrieb wirtschaftlicher zu gewährleisten. Im letzten Jahr habe das Kinderschwimmbad lediglich Einnahmen von 32 000 DM gehabt - viel zu wenig um auch nur annähernd eigenständig zu sein. Im gleichen Atemzug sprach er allerdings davon, daß keines der 77 Bäder der Betriebe schwarze Zahlen schreibe und daß bundesweit nur private Spaßbäder mit enormen Eintrittspreisen dazu in der Lage seien. Auch ein Sommerbad für Erwachsene im Monbijoupark würde die Investitionskosten also nicht wieder einspielen. Der Bürgermeister genauso wie der Baustadtrat lehnten eine Erweiterung des Kinderschwimmbades ab. Das zerstöre den Park. Hier könne man nicht die im Sommer stark genutzte Liegefläche einfach dem Bad zuordnen, mit einem Zaun versehen und Eintritt dafür verlangen. Damit wäre die augenblickliche Funktionsmischung und der Charakter des Parks zerstört.

Die Betroffenenvertretung sucht noch Mitstreiter beim Protest gegen die Schließung des Bades. Zudem möchte sie eine Arbeitsgruppe gründen, die sich auf die Suche nach Sponsoren und Spendern für die Sanierung des Kinderschwimmbades macht. Eine Unterschriftenaktion wurde bereits eingeleitet - innerhalb von einer Woche wurden bereits 1000 Unterschriften gesammelt. Die Aktion soll fortgeführt und die Unterschriften der zuständigen Senatorin und Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Bäderbetriebe am besten vor einer Sitzung des Aufsichtrates öffentlichkeitswirksam übergeben werden. Der tagt regulär wieder Ende März - Bezirksbürgermeister Zeller will sich aber dafür einsetzen, daß schon vorher eine außerordentliche Sitzung zum Monbijoubad zustande kommt.

Treffen gegen die Schließung des Kinderschwimmbades:
donnerstags 19:00 Uhr, Betroffenenvertretung Spandauer Vorstadt, Großen Hamburger Straße 13/14 Kontaktelefon: 2808584 (Anrufbeantworter) oder 2828395 (Uschi Goldenbaum)

Christof Schaffelder

© scheinschlag 2000
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 02 - 1999