Ausgabe 02 - 1999berliner stadtzeitung
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Erzieherinnen zu Hundekotpolizistinnen?

Jugendstadträte wenden sich gegen die Zweckentfremdung von Personalüberhangkräften

Die Forderung des Senats, Erzieherinnen aus dem sogenannten Personalüberhang künftig als Umweltstreifen oder im Landeseinwohneramt einzusetzen, ruft den Widerstand der von der PDS gestellten Jugendstadträte hervor. Weil wichtige Aufgaben im Bereich der Jugendarbeit nicht wahrgenommen werden können, würden die gut ausgebildeten Kita-Erzieherinnen hier dringend benötigt, wie die Jugendstadträte aus Mitte, Prenzlauer Berg, Weißensee, Hohenschönhausen und Köpenick übereinstimmend feststellen. Vor allem Projekte für "Lückekinder", die Arbeit in kommunalen Kinder- und Jugendclubs und der Vertretungseinsatz in Kindertagesstätten liegen zur Zeit erzwungenermaßen brach.

Besonders Stadtentwicklungs- und Umweltschutzsenator Peter Strieder, leidenschaftlicher Kämpfer gegen die Verwahrlosung des Stadtbildes, hat es auf die "überzähligen" Erzieherinnen abgesehen. Nach seinen Vorstellungen sollen sie als Umweltstreifen durch die Straßen patrouillieren, auf Sauberkeit achten und bei Verstößen sogar Verwarnungsgelder kassieren, wenn etwa ein Hundehalter die Verdauungsprodukte seines Tieres nicht entfernt.

In diesem Kita-Jahr wird der Überhang auf 700 bis 1100 Stellen anwachsen. Durch die sinkende Kinderzahl und steigende Kita-Gebühren geht die Belegung der Kindertagesstätten weiter zurück. Das führt dazu, daß immer mehr Kitas geschlossen werden müssen. Weil das Land Berlin betriebsbedingte Kündigungen ausschließt, entsteht ein Personalüberhang - die Erzieherinnen müssen weiter von den Bezirken bezahlt werden.

Ein Einsatz dieser Überhangkräfte im Jugendbereich wäre nach Ansicht des Jugendstadtrats von Prenzlauer Berg Burkhard Kleinert zwar problematisch, weil die Betreuerinnen von Vorschulkindern dann mit Jugendlichen arbeiten müßten, aber fachlich noch viel näher an ihrer Ausbildung als der Umweltpatrouillendienst. Ein Umschichten der Gelder im Bezirkshaushalt von der Kita-Betreuung auf die Jugendbetreung ist jedoch haushaltsrechtlich nicht möglich, wie Köpenicks Jugendstadtrat Ernst Welters anmerkt. Warum aber ein Umschichten der Mittel auf einen Umweltstreifendienst, wie es Senator Strieder vorhat, möglich sein soll, ist Welters ein Rätsel. Es gibt nicht einmal eine Rechtgrundlage, mit der solche Umweltstreifen Bußgelder verhängen könnten. "Wenn dem Senat Umweltstreifen wichtiger als Kinder- und Jugendprojekte sind", so der Köpenicker Stadtrat, "ist das eine Absage an die kinder- und jugendfreundliche Stadt."

Anläßlich der diesjährigen Berliner Partnerschaft mit der UNO-Kinderhilfsorganisation UNICEF hat die Jugendsenatorin Ingrid Stahmer erst kürzlich "Leitlinien für eine kinder- und jugendfreundliche Stadt" aufgestellt, deren Umsetzung allerdings kostenneutral sein soll, d.h. nichts kosten darf. Dieses Mißverhältnis sagt einiges über die Kräfteverteilung im Senat aus. "Strieder engagiert sich für seine Hundekacke - Stahmer engagiert sich nicht", so Mittes Jugendstadträtin Eva Mendl.
Jens Sethmann

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