Ausgabe 24 - 1998berliner stadtzeitung
scheinschlag

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1500 Kröten für alle

Existenzgeld - Die Forderung der Erwerbsloseninitiative

Um die Erwerbsloseninitiative im Haus der Demokratie ist es ruhig geworden. Die Diskussion über aktuelle arbeitspolitische Themen wie das Bündnis für Arbeit, das Programm des Berliner Senats "Integration durch Arbeit", "Zwangsarbeit" für SozialhilfeempfängerInnen usw. wird von etwa zehn Übriggebliebenen geführt.

Viele der ehemals Aktiven stehen wieder in Lohn und Brot. Fluktuation, ständiger Wechsel, liegt in der Natur einer Erwerbsloseninitiative, muß aber einer wirksamen Arbeit nicht notwendig hinderlich sein. Die Gruppe ist momentan als eine zurückgenommene Position zu betrachten, die für die nächsten Aktivitäten der Erwerbsarbeitslosen die theoretischen Ausgangspunkte und argumentativen Gewichtungen ausarbeitet. Mit einer neuen Bewegung der zahlreicher werdenden Erwerbslosen ist über kurz oder lang zu rechnen, so daß dies Tun einer kleinen Gruppe als durchaus sinnvoll einzuschätzen ist.

Eine einzige, weiterhin neben dem Plenum existierende, Arbeitsgruppe der Erwerbsloseninitiative beschäftigt sich währenddessen mit der Forderung nach Existenzgeld. Dies ist ein zur Zeit in vielen Gruppen ganz unterschiedlicher gesellschaftlicher Herkunft diskutiertes Problem. Es soll ein existenzsicherndes Einkommen neben Erwerbsarbeit und Sozialhilfe darstellen. So viele Gruppen es gibt, so viele verschiedene Modelle gibt es dazu: Bei dem konservativen Wissenschaftler Ulrich Beck heißt es Bürgergeld und ist an gemeinnützige Arbeit gebunden. Im Konzept der FDP ist es ebenfalls an eine Arbeitspflicht gekoppelt. Damit kommen Menschen, die nicht in die herkömmliche Schiene von Arbeit und Erwerbsarbeit passen, gar nicht in den Genuß dieses existenzsichernden Grundeinkommens. Es wären nur diejenigen abgesichert, die sowieso schon den Anforderungen, das ein Arbeitsleben stellt, entsprechen können.

Die Grünen sprechen in ihrem Entwurf von Grundsicherung. Die würde also vor allem sozial Schwachen, die Gewährleistung grundlegender Bedürfnisbefriedigung sichern. Dieser Entwurf hat allerdings keine Aufnahme in den Koalitionsvertrag der rot-grünen Regierung gefunden. Die Konzepte der einzelnen Parteien differieren in Betrag und Bevölkerungsgruppe, die Grundsicherung bekommen soll.

Dagegen geht die Forderung nach Existenzgeld, wie sie von alternativ politischen Gruppierungen vertreten wird, von einem Betrag von 1500 DM aus, der unterschiedslos allen zustehen würde.

In Berlin befassen sich ebenfalls mehrere Gruppen mit dieser Forderung. Schon zu den Sozialbündnis-Demonstrationen 1996 wurde die von der Gruppe BAG-SHI errechnete Forderung von 1500 DM auf einigen Transparenten und Flugblättern unter die Leute gebracht. Die damals noch etwas utopisch anmutende Forderung hat nun gesellschaftlich an Bedeutung und eine breitere Akzeptanz gewonnen. Dies ist vor allem den in den letzten zwei Jahren besonders sichtbar gewordenden Veränderungen in der Gesellschaft zu schulden. Erwerbslosigkeit und in ihrer Konsequenz Existenzbedrohung ist nicht mehr als ein individuelles Problem der Betroffenen anzusehen. Das Ausmaß der Erwerbslosigkeit wird weiter steigen. Das Problem ist nur gesellschaftlich zu lösen: einmal durch neue Vorstellungen von dem was Arbeit sein kann, zum anderen durch eine teilweise Entkoppelung von geleisteter Arbeit und existenzsicherndem Einkommen. Dafür sollen verschiedene Modelle von Existenzgeld, Grundsicherung oder Bürgergeld diskutiert werden.

lama

Erwerbsloseninitiative: Montag 17 Uhr, Haus der Demokratie, Raum 52; Existenzgeld-Seminar: Donnerstag 20 Uhr, Seminargebäude am Hegelplatz, Raum 504