Ausgabe 19 - 1998berliner stadtzeitung
scheinschlag

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2000 ist chic

Je näher das Ende rückt, um so mehr Zukunft kommt.Täuscht es, oder gibt es zum Ende des Jahrhunderts wirklich mehr Fragen, die alle in Kongresse, Symposien oder sonstige wärmende Diskursgemeinschaften drängen? Der nicht so leicht aus der Fassung zu bringende Alltagsbeobachter stellt nüchtern fest, daß die gleichen Spektakel schon vor zehn Jahren hätten stattfinden können. Aber da waren die Presseabteilungen der Meinungsmacher noch nicht so weit. Jetzt wird das nächste Jahrtausend designed, dem man in den Achtzigern noch mit dem lakonischen "no future" die Existenz absprach. Mittlerweile scheinen alle irgendwie besinnungslos vor sich hinzutaumeln und bedürfen dringend einer Groborientierung. Und bei Zukunft ist naturgesetzmäßig die Jugend das relevante Objekt der Begierde. Der Rest stirbt für das nächste Jahrtausend sowieso zu früh.

Die den Grünen nahestehende Heinrich-Böll-Stiftung stellt "Die 2000er Frage" im Rahmen eines Wettbewerbes an die unter 26jährigen. Sie will erschütternd schlicht wissen: "Welche Frage beschäftigt Dich zur Jahrtausendwende?" Wenn man das so genau wüßte! Meist ist das erfahrungsgemäß sowieso immer das gleiche: Liebt er/sie mich? Aber so was fragt man sich lieber privat. Und bestimmt ist das auch ungültig. Ein bißchen Welthaltigkeit kommt besser. Aus der internationalen Ausschreibung - man kann in Deutsch, Russisch, Englisch oder Französisch fragen, - werden acht ausgewählt und preisrätselmäßig prämiert. Es folgen die obligatorischen Begegnungen junger Menschen aus mindestens (!) 15 Ländern, die die acht Fragen diskutieren und Antworten suchen. "Künstlerisch-kreative Umsetzung bis zu Diskussionsrunden, von Exkursionen bis zur Arbeit im Internet...", schwärmt die Broschüre. Und über alles hält der Dalai Lama gnädig den heiligen Schirm.

sas

Einsendeschluß: 10. November 1998, Heinrich-Böll-Stiftung, Kennwort: Die 2000er Frage, Rosenthaler Str. 40/41, 10178 Berlin

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