Ausgabe 19 - 1998berliner stadtzeitung
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...und hält doch

(nicht, was es verspricht)- berlin biennale und Congress am eigenen Leibe erfahren

Jede Stadt hat die Parade und die Kunstleistungsschau, die sie verdient. In Berlin dümpelt es bekanntlich und oft geschmäht nur halb weltstädtisch weiter vor sich hin. Immer wieder wird der uralte "Berlin wird"-Spruch zitiert, letztens von Peter Radunski auf der Pressekonferenz zur berlin biennale. Wer/was nichts wird, wird Wirt. Für Sony, Debis und so weiter. Für Touris auf der Oranienburger Straße, und für Kunst- und Diskursbeflissene im Haus der Kulturen der Welt. Die biennale hat an Kunst das zu bieten, was noch nicht ganz teuer ist und unbedingt Modernität suggeriert. Was heißt, daß es keine Bilder gibt. Nur Installationen, Fotos und Videos.

... irgendwie zusammengeklatscht

Komischerweise scheinen die Macher das unglaublich altmodische Schreiben noch zu beherrschen. Zu Ausstellung und Kongreß wird auch ein Buch angeboten, "Berlin/Berlin", das empfehlenswert ist. Die Macher haben sich große Mühe gegeben, möglichst viele Facetten des Berliner Lebens zu berücksichtigen. Auf den ersten Blick scheint man willkürlich Stichworte, wie Berliner Schlüssel, Diaspora, Paraden, Ost/West in den Band hineingeklatscht zu haben. Genau das ist es aber, was eine Großstadt, vielmehr Berlin, zu einer solchen macht. Das irgendwie zusammengeklatschte. Im Osten wurden die desolaten Straßenverhältnisse mit dem Spruch "Loch an Loch und hält doch" kommentiert. Und genau so funktioniert der Katalog zur Stadt. Die dazugehörige Kunstausstellung zeigt Werke, die angeblich in einer Beziehung zu Berlin stehen. Der einzige Bezug ist aber oft die Tatsache, daß die ausgestellten Künstler mal irgendwie in Berlin gewohnt haben oder es jetzt noch tun. Einzige Ausnahme: die Berlin Plattform im Innenhof des Postfuhramtes, die sich mit Projekten beschäftigt, die in unmittelbarer Beziehung und Reibung zu den Verhältnissen in der Stadt Berlin entstehen, darunter auch Zeitungen und Zeitschriften. Ansonsten hat man wieder mal die Gelegenheit, sich das Postfuhramt von innen anzusehen, die frisch renovierten "Kunstwerke" in der Auguststraße ebenso. Natürlich gibt es auch eine Website zum Ganzen. Wahrscheinlich ist dort am besten das Konstrukt "Flanerie" als eines der Motti der Biennale nachzuvollziehen. Da wird es wohl nicht alle fünf Meter eine Baustelle geben.

und aufgelaunget ...

Eine weitere Grundfeste der Nabelschau und ebenfalls Konstrukt, ist etwas, das sich Congress nennt, allenfalls aber als maßlos erweitertes, aufgeblasenes Blockseminar gelten kann. Nur sind die Dozenten jünger, und es sitzen gleich mehrere rum. Und, noch ein Unterschied: Sie erzählten nichts Neues, zumindest war das am Eröffnungsabend so. Im großen Saal, dem Auditorium wurde erst etwas vorgelesen, und dann podiumsdiskutiert, Thema: "Pop als Lebensretter? Der Wandel des Theaterbegriffs in den 90er Jahren". Dreimal darf geraten werden, worüber sich die spät nachpubertierenden Humanistenpennäler westdeutscher Provinienz unterhielten oder besser, über wen? Den Namen schreibe ich nicht mehr! Alle waren unter sich und fühlten sich in ihrer Meinung bestätigt. Egal, ob sie auf der Bühne oder im Publikum saßen. Das übliche Diskursgeseire und die Beteuerung, daß Theater langweilig sei und Podiumsdiskussionen das Langweiligste überhaupt.

So schlich man also durch das riesige Haus der Kulturen auf der Suche nach etwas Interessanterem, was von wenig Erfolg gekrönt war. Das Café Global im Untergeschoß hatte man etwas aufgespacet, mit abgetönten Lichtern in Blau und Rot. Vielleicht sollte es auch aufgelaunget heißen. Jemand assoziierte die Stimmung dort mit einem russischen Restaurant der Sowjetzeit. Um die Tanzfläche herum Tische mit Stühlen, man ißt und trinkt etwas, und kann tanzen, wenn man Lust hat. Die Musik kam hier aber gedjt vom Jazzanova-Label (anstatt von einer Live-Keyboard-Combo), und man mußte nicht zwingend drei Gänge bestellen. Später wären dann noch Filme gelaufen, die versprachen, genau das zu sein, was man bisher vermißt hatte, nämlich interessant. Leider kam die für«s Warten nötige Geduld bei mir nicht auf. Vielleicht wird«s ja noch was, ansonsten: siehe oben.

Hanna Feil

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