Ausgabe 18 - 1998berliner stadtzeitung
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Mieter inklusive!

Die Umwandlungswelle rollt auf Mitte und Prenzlauer Berg zu

Die Unwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen nimmt in den Ostberliner Innenstadtbezirken, und hier vor allem in Mitte, rasant zu. Mieterinitiativen befürchten, daß ein Großteil der Modernisierungen im Altbaubereich längerfristig auf die Schaffung von Eigentumswohnungen hinausläuft.

Die Zahlen im vom Senat herausgegebenen Bericht zur Umwandlung in Eigentumswohnungen sind alarmierend. Im Bezirk Mitte sind 1995 insgesamt 226 Wohnungen umgewandelt worden, 1996 waren es schon annähernd achtmal so viel; die genaue Zahl belief sich vor zwei Jahren auf 1781. Aktuellere Zahlen werden erst im nächsten Jahr veröffentlicht, aber sowohl die Einschätzungen von Mieterberatungen, als auch die Häufung von Werbetafeln an den Baugerüsten von gerade sanierten Häusern, auf denen Wohnungen zum Kauf angeboten werden, sprechen dafür, daß die Anzahl der Umwandlungen nochmal gewaltig zugenommen hat.

Die allenthalben spürbare soziale Spaltung der Stadt zeigt sich auch hier. "Während etwa in Kreuzberg, das mehr und mehr zum sozialen Problemgebiet wird, mittlerweile nur sehr zögerlich umgewandelt wird, nimmt dies in den in Mode gekommenen Aufwertungsbezirken wie Prenzlauer Berg und Mitte umso drastischer zu", erklärt Joachim Öllerich von der AG Umwandlung der Berliner Mietergemeinschaft.

Im Ostteil der Stadt ist zwar immer noch Hellersdorf der Bezirk, in dem die meisten Wohungen, - zumeist in großen Plattenbauanlagen im Rahmen der Altschuldenhilferegelung für die Wohnungsbaugesellschaften -, umgewandelt wurden, der eigentliche Boom wird aber in Mitte und Prenzlauer Berg erwartet. "Wobei", so Öllerich, "meistens nicht, wie allgemein angenommem, an Eigennutzer, sondern an Kapitalanleger, die gar nichts dagegen haben, die Mieter gleich mitgeliefert zu bekommen, verkauft wird."

Garantiert hohe Mieteinnahmen

Die "klassischen" Konzepte, wie etwa geschlossene Immobilienfonds, bei der die Kapitalanleger in die Modernisierung von Mietshäusern investieren, werden zunehmend durch das Umwandlungsgeschäft ersetzt. Vordergründig scheint es zunächst so, als wäre der Druck auf die Mieter bei diesem Geschäft nicht so groß, da ja hauptsächlich an Kapitalanleger verkauft wird. Doch die Umwandlungen sind fast immer mit mietpreissteigernden Modernisierungen verbunden: "Entweder die Häuser werden zuerst modernisiert und dann umgewandelt, oder die Wohnungen eines Hauses werden zuerst verkauft, und dann wird damit die nachfolgende Modernisierung mitfinanziert", erläutert Rainer Wildt vom Berliner Mieterverein. Und Joachim Öllerich ergänzt: "Oft bekommen die Käufer die Wohnungen mit der Garantie einer ziemlich hoch angesetzten Mieteinnahme angeboten. Die wird dann aus den Altmietern über mietsteigernde Modernisierungen rausgeholt. Immer mehr werden Mietshäuser von Immobilienunternehmen aufgekauft, und die Wohnungen werden dann, noch bevor die Käufer ins Grundbuch eingetragen wurden, schon weiterveräußert. Auf alle Fälle besteht ein starker Verdrängungsdruck gegenüber den Altmietern."

Altmieter ziehen vorzeitig aus

Rainer Wildt sieht diesen Prozeß noch durch den zur Zeit entspannten Wohnungsmarkt gebremst: "Momentan sind die hohen Mieten, mit denen viele der Umwandlungsunternehmen kalkulieren, oftmals nicht zu erwirtschaften. Dennoch ist schon jetzt der Verdrängungsdruck da. Eine Studie über das Gebiet um die Neuköllner Schillerpromenade zeigt dies: Trotz der bei Umwandlung in Eigentumswohnungen gültigen zehnjährigen Kündigungsschutzklausel gegen Eigenbedarfskündigungen und der für diese Gegend erlassenen Milieuschutzverordnung, zogen viele Altmieter aus den umgewandelten Wohnungen aus. Wir fordern deshalb, daß zumindest in Milieuschutzgebieten, die Umwandlung von Eigentumswohnungengenehmigungspflichtig wird, und somit von den Bezirksämtern unterbunden werden kann."

Eine Minimalforderung, die allerdings angesichts politischer Mehrheiten, die 1992 durch eine Gesetzesänderung die Hürden zur Umwandlung wesentlich heruntergesetzt haben, einen schweren Stand hat.

Langfristig stehen große Teile des Bestandes an noch preisgünstigen Mietwohnungen zur Disposition. Rainer Wildt: "Der hohe Kostendruck durch Erwerb und Sanierung wird immer mehr langfristig in der Umwandlung enden. Das gilt, nach Aussagen von Sanierungsträgern, auch für öffentlich geförderte Sanierungen. Das ist das Problem einer Stadtsanierung bei erhöhten Grundstücks- und Kaufpreisen."

Michael Philips

Die AG-Umwandlung der Berliner Mietergemeinschaft ist jeden Mittwoch ab 15 Uhr im Haus der Demokratie zu erreichen. Infotelefon mittwochs von 16 bis 20 Uhr: 2044870

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