Ausgabe 15 - 1998berliner stadtzeitung
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Attraktion Mauer

Die Medien waren ja voll davon: Eröffnung der Mauergedenkstätte am 13. August 1998, genau 37 Jahre nach dem Bau der Mauer. Man beklagte, daß kaum noch jemand wisse, wo die Mauer überhaupt gestanden hat. Nur wenige Jahre nach der Öffnung der Grenze hat man die Spuren des immer noch berühmtesten Berliner Bauwerks so gründlich gelöscht, daß man sich bemüßigt sah, an touristisch bedeutsamen Stellen den Mauerverlauf wenigstens mit einer roten Linie auf dem Straßenpflaster nachzuzeichnen.

An einer der wenigen Stellen, wo noch Reste der Originalmauer stehen, wurde nun die Mauergedenkstätte eröffnet: an der Bernauer Straße zwischen Mitte und Wedding.

Bei allem öffentlichen Wirbel wollten wir uns selbst ein Bild davon machen und fuhren hin. S-Bahnhof Nordbahnhof, am Flohmarktgelände vorbei, biegen wir in die Bernauer Straße ein. Nach wenigen Metern erscheint rechter Hand die Mauer, wir befinden uns auf der westlichen Seite. Die Gedenkstättenarchitekten haben die Mauerspechtspuren ziemlich realistisch nachempfunden, vielleicht sogar ein bißchen übertrieben: Das Stahlskelett der Mauer tritt stellenweise deutlich hervor. Immerhin gewinnt der Betrachter so auch einen Einblick in die Statik der einzelnen Segmente.

An einer Stelle sind ein paar Segmente beiseitegeräumt, so daß man auf die andere, östliche Seite blicken kann. Vielleicht ist dies ein Symbol für die Maueröffnung am 9. November 1989, doch die Interpretation bleibt jedem selbst überlassen: Pädagogische Erläuterungstafeln gibt es bei dieser Gedenkstätte nicht.

Der ehemalige Todesstreifen ist völlig bewachsen. Die Laternen und der Patrouillenweg sind noch vorhanden. Teile der Hinterlandsmauer liegen aufgeschichtet am Rande des angrenzenden Friedhofs. Die Mauergedenkstätte ist Archäologie für jedermann. Was aber stört, ist die riesige, rostige Stahlwand, die nach etwa 150 Metern, kurz vor der Ackerstraße, die Gedenkstätte jäh enden läßt. Damit haben wohl die Alteigentümer der Mauergrundstücke ihre Rückgabeansprüche drastisch formuliert. Schön und gut, aber war das wirklich nötig?

js

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  Ausgabe 15 - 1998