Ausgabe 15/16 - 1998berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis


Zur Homepage

Shakespeare, wie er sein soll

Zum Schluß sind fast alle tot, wie sich das bei einem Königsdrama gehört. Wozu also so viele Schauspieler verschleißen? Das geht nur bei Staatstheater´s. Außerdem war früher, das heißt vor ungefähr 350 Jahren, weniger auch schon immer mehr. Die Hexenkessel-Truppe um Jan Christph Zimmermann demonstriert jeden Sommer aufs Neue, wie es auch geht. Und wie gut Altbewährtes immer wieder sein kann. Dieses Jahr ist es immer noch Richard III.

Mittendrin im Zuschauerraum steht die Bühne, eine Bretterrampe mit Erhöhungen an beiden Enden. Die Zuschauer können sich demzufolge nicht nur das Spektakel anschauen, sondern auch die Reaktionen der Anderen auf der gegenüberliegenden Seite. Es ertönt mittelalterlich inspirierte Musik von Barbara Morgenstern. Zuerst steht rechts noch ein mit Goldfarbe angemalter Rollstuhl. Das ist der Thron. Darauf sitzt Edward und wird gleich ins Bett geschickt: Du bist auf Diät!

Dann der Fiesling: Richard (Milton Welsch), sich selbst ständig kommentierend. Er hat ein Schwein als Wappen auf seinem Wams, einen Keiler vielmehr. Angezogen ist er wie ein gerupftes Huhn in Schwarz und Rot und hinkt auch schön. Der personifizierte Gottseibeiuns. Dabei kann er eigentlich keiner Fliege etwas zuleidetun. Er will nur "die Welt für weniger als gar nichts". Und König werden. Leider sind da noch einge Verwandte im Weg. Zur Überwindung dieser Hindernisse bemüht er sich manchmal selbst, manchmal Helfer. Die sind so herzerfrischend dämlich, und das ist ja gerade das Schlimme. Sie tun ja nur, was man ihnen sagt. Oder: Sie sind jung und brauchen das Geld oder so ähnlich ( Katja Höppner und Julia Zeman). Der große (Spiel)raum im Kesselhaus der Kulturbrauerei wird weidlich ausgenutzt, auch der seitliche Hängeboden. Und die Schauspieler bekommen Gelegenheit, um mit Kabinettstückchen (altmodisch!) zu brillieren, z.B. Raśl Gonzales als Heinrich, Earl of Richmond.

Glücklicherweise hat sich jemand die Mühe gemacht und die Rosenkriege im Programmheft auf zwei Seiten zusammengefaßt. Die ätere Dame aus dem Schwäbischen hinter mir hatte es genau erfaßt: "Isch des schwierig!"

Um so schöner ist es, wenn aus so etwas Schwierigem ein äußerst unterhaltsames Sommervergnügen wird.

ib

Richard III., vom Hexenkessel Hoftheater, Kesselhaus der Kulturbrauerei, Knaackstraße 97,
bis zum 8. September

© scheinschlag 2000
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 15/16 - 1998