Ausgabe 14 - 1998berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis


Zur Homepage

Mutige Filmverleiher in Berlin, Part 2

Peripher Filmverleih im fsk Kino - "Weil es Spaß macht"

Es ist kurz nach Mittag, als ich im Kreuzberger fsk Kino eintreffe, wo mich Barbara Suhren mit einem Pott Kaffee empfängt. Die übrigen fünf Mitstreiter des Filmkollektivs sind ebenfalls da, zu tun ist immer, zumal Kino und Verleih Hand in Hand derselben Personen laufen. Seit anderthalb Jahren existiert Peripher, der Filmverleih im fsk-Kino.

Der Anfang der Verleiharbeit war fließend, "...weil wir ja auch schon in der Wiener Straße Filme ins Programm nahmen, die wir irgendwo auf Festivals gesehen hatten und die keinen Verleih bekamen." Günstiger war es ohnehin, einen Film in Verleih zu nehmen, als ihn für drei, vier Wochen aus dem Ausland zu holen. Das Kinoprogramm ist durch den neuen Verleih noch profilierter geworden. Die Unabhängigkeit von den Verleihangeboten anderer Verleihfirmen und den damit verbundenen Auflagen wurde größer, die Arbeit allerdings auch. Es begann Schlag auf Schlag mit Mimmo Caloprestis engagiertem "La Seconda Volta", "Double Happiness" aus Kanada und "La fille seule" von Benoit Jaquot, die allesamt gut liefen und laufen. Nach der Mehrzahl französischer Filme im Programm befragt, sagt Barbara Suhren: "In Frankreich wird halt unheimlich viel produziert und mehr experimentiert."

Das ganze Jahr über schwärmen die Peripheristen aus zu Festivals, je nach persönlichen Vorlieben nach Hamburg, Hof, Saarbrücken, Rotterdam u.a. auf der Suche nach filmischen Kleinoden. Fündig werden sie immer wieder; erinnert sei an den poetischen "Few of us" des Litauers Sarunas Bartas, "La Promesse" oder den Honigman-Film "Tot ziens". Alles Filme, für die sich kein großer Verleih interessiert - und davon gibt es jede Menge. "Wir bekommen keine Angebote für ganz neue Filme, wo die Produzenten erst noch prüfen, ob sie die gescheit loskriegen", sagt Barbara Suhren und lacht. Die Auswahl erfolgt demokratisch, mindestens drei der sechs Mitarbeiter müssen den Einkauf befürworten.

Anderswo ist man mutiger

Auch sonst läuft bei Peripher - der Name ist Programm - alles etwas anders als bei anderen Verleihen. Mit Hilfe weitreichender Kontakte versucht man abseits der kommerziellen Regularien kostengünstig an Filme zu kommen: "In der Schweiz und in Österreich gibt es ein paar Verleihe, die sehr viel mutiger sind als hiesige. Mit dem Filmladen Wien z.B. haben wir "La fille seule" herausgebracht. Das halbiert die Kosten für die Übersetzung und die Zweitkopie ist immer billiger als die erste. Einem Schweizer Verleih haben wir eine wenig gespielte Kopie (von "Double Happiness" d.A.) abgekauft... damit werden die Ballast los und bekommen ein paar Mark." Die Kopien werden im jeweiligen Ursprungsland günstig hergestellt und ein Premierenkino ist immer vorhanden... Daß die viele Arbeit trotzdem nicht viel abwirft, versteht sich fast von selbst. Die Zuschauerzahl lag bisher im Schnitt bei 3000 pro Film, was mit Ach und Krach die Fixkosten deckt. "Es geht einfach nur darum, das Risiko zu minimieren. Wir hatten uns eigentlich das Ziel gesetzt, die Vorkosten (Untertitelung, Kopienherstellung, Werbung, d.A.) hier bei uns einzuspielen. Das ist uns nicht immer gelungen." Mehr als eine Filmkopie ist in der Regel nicht drin, was bundesweite Filmstarts von vornherein ausschließt, und "es ist schwierig, in Städten wie Frankfurt, München, Hamburg Kinos zu finden, die die Filme länger spielen und nur annähernd so auswerten, wie wir das hier machen. Die haben alle irgendwie keine Traute."

Verträge mit Produzenten sehen in der Regel so aus, daß sämtliche Kosten und Einnahmen geteilt werden - eine faire Variante, auf die sich aber nicht jeder Lizenzgeber einläßt. Zur Erinnerung: der Verleih erhält lediglich 43% der Eintrittseinnahmen.

Trotz mancher finanzieller Härten scheint das Überleben bei Peripher nicht so problematisch wie bei anderen Kleinverleihen. Das läßt sich sowohl der Existenz des eigenen Kinos als einer Art "fester Burg" als auch dem jahrelang trainierten Kollektivgeist im Hause fsk-Peripher zuschreiben, der bei aller Härte des Wettbewerbs diese kleine Oase der Kreativität überleben läßt.

Die Pläne

Zur Zeit tourt "Nenette et Boni" noch durch die deutschen Kinos, für den Oktober ist "La vie de Jesus" vorgesehen, eine französische Produktion von 1995 in der Regie von Bruno Dumont. Es geht um jugendliches Leben in der Provinz, die Tristesse und Unfähigkeit zu echter Kommunikation. Voraussichtlich im November startet Benoit Jacquots neuer Film "Le septi¸me ciel" mit Sandrine Kimberlain. Während das Sputnik-Kollektiv längst zerfallen ist und an verschiedenen Filmfronten harte Kämpfe ausficht, hielten die sechs fskler bislang aus und zusammen. Im September können sie auf zehn Jahre engagierte Kinoarbeit zurückblicken. Der Kinomarkt ist in diesen zehn Jahren wesentlich härter geworden, aber fsk hat frühzeitig die Nische erkannt und mit der Verleihgründung ausgebaut.

Berit Wich-Heiter

© scheinschlag 2000
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 14 - 1998