Ausgabe 14 - 1998berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Was, das setzt sich durch?

Da schickt einer ein kleines Kraut-und-Rüben-Spottgedicht, und ich les es, klar, wieso auch nicht. Ganz lustig, auch überzeugt die Charakterisierung eines gewissen "Hintze" als "trüber Lurch", obwohl dessen Frisur doch eher an einen Bobtail erinnert ... - aber fünf lange Zeilen später, ganz am Ende des Gedichts, der Wechselwarme (Synonym für Lurch, gut, was?) ist schon drauf und dran, sich aus meinem Kurzzeitgedächtnis wieder hinauszuschlängeln, da findet der Verfasser doch noch einen alles relativierenden Reim, einen aus dem richtigen Reklame-Leben, und zwar: "Was gut ist, setzt sich durch!"

Puh, dies ist doch ein höchst fragwürdiger Spruch! Und wenn dann noch so triefige, auf Landrocker gestylte Lederfransen-Opas im Kino einem die Ohren damit vollröhren - "was gut, gut, gut ist, setzt sisch dorsch!" - dann wird mein Hals so dick und dicker, immer dicker, hoppala, bis sich der Vordermann beschwert über den Magenaushub in seinem Genick; wenn das zauselige Zonenknecht-Idol ohne jeden Sinn, ganz zu schweigen von Verstand, krakeelt, "wir hamms geschafft aus eigner Kraft!" - ja, was denn eigentlich? In der Kneipe ´ne Runde von dem leckeren Egal was, Hauptsache macht dumm im Kopf bestellt und tatsächlich bekommen?; wenn der Frontmann dieser trüben Truppe, der offensichtlich nicht umsonst so heißt wie die Gerätschaften, die so prima menschliche Arbeit und menschliches Können ersetzen, Maschine nämlich (hat ja ooch so´n, na, sangwama, irngdwo ooch knorken proletarischen Beiklang, wa), wenn dieser grenzdebile Schrummler plärrt, "wir hamms geschafft aus eigner Kraft ..." - wir ergänzen selbsttätig: "im Hirn hamm wir Dreiwettertaft!", dann könnt´ ich ... - Okay. Absatz.

Wolln mal so sagen: Wenn in mir der Haß auf diese verlogene Leistungmußsichwiederlohnensozialdarwinistenscheißdrecksmucke erst brennt, dann reicht das Bier sämtlicher Berliner Pilsnerbrauereien nicht, ihn zu löschen! (Gleichsam durch die Blume bzw. Tulpe gesprochen.)

Maschine ist ein trüber Lurch, der glaubt: "Was gut ist, setzt sich durch."

Am andern Ufer desselben Flusses residiert diese eigentümliche Neueröffnung am Marheinekeplatz. Bis grade noch war hier ein Computerladen, jetzt steht im Schaufenster: "Auch im Zeitalter interaktiver Medien bleiben das persönliche Gespräch, die direkte Begegnung, der individuelle persönliche Eindruck unverzichtbar. Das gilt insbesondere für die Beziehung Friseur & Kunde. Gemeinschaftlich ergibt sich ein innovatives Potential für zeitgerechte Dienstleistung und Service." Ach, du meine Güte! Gelten Friseure nicht ohnehin als besonders redselig? Und jetzt auch noch sowas! Was für eine Vorstellung: Durch ´nen erst halbfertigen Haarschnitt an den Stuhl gefesselt, muß man sich das zeitgerechte Geseiere des tertiären Sektors anhören. Da sträuben sich doch die Nackenhaare. Ja, wenn er wenigstens seinen "System-Haarschnitt" gleich umbenennen würde in "Schweinesystem-Haarschnitt"! Aber da träumste von.

Was ganz anderes zum Schluß. "Nächste Station is´ Alex", sagt er. Sie schweigt und schaut auf die bunte Netzspinne an der Decke. "Alexanderplatz", schiebt er nach, "die dunkelblaue Linie." Sie schweigt. Er: "Is´ benannt nach Alexander dem Großen." Sie runzelt die Stirn. "Das is´ der, der mit den Elefanten über die Alpen is´, damals." Ihre Stirn wird wieder glatt. Sie schaut ihn an mit diesem liebreizenden Blick, der in unsre Männerherzen das ewig gleiche Rätsel pflanzt: Bewundert sie dich jetzt, weil du so gut Bescheid weißt? Oder hält sie dich ganz einfach für komplett bekloppt?

Bov Bjerg

Hans Duschke nicht dazu, sondern zu komplett was anderm:

Sommer, lieber Sommer, komm,
ich tu dich so vermissen!
Ich eß schon ganz viel Obst, kaum Pomm-
es. Mensch, hör endlich auf zu pissen!

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