Ausgabe 12 - 1998berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Berlin 1898

18. Juni bis 1. Juli

Zwei Fässer unbrauchbar gewordenes Pulver soll der 22jährige Sekondelieutenant Erich Wollmann am Morgen des 20. Juni auf dem Pionier-Übungsplatz in der Hasenhaide vernichten. Bekanntlich tritt bei den meisten Pulverarten allmählich bis zu einem gewissen Grad eine Selbstzersetzung ein, die die Wirkung, jedenfalls aber die Sicherheit im Umgang mit ihnen beendet. Wollmann lässt zunächst ein Fass Pulver hinter dem Wall des Schießstandes 7 des Alexander-Regiments auf den sandigen Boden ausschütten. Dann schickt er seine beiden Pioniere etwa 25 Meter zurück.

Schon länger interessiert sich Wollmann besonders für die Wirkungen der vielen Explosions- und Detonations-Mittel. Er will ermitteln, wieviel Sprengkraft dem Pulver noch verblieben ist. Er entzündet eine kleine Menge Pulver, darauf erfolgt ein furchtbarer Knall, so wie ein Donnerschlag, während gleichzeitig haushohe Flammen auffschlugen. Die beiden Pioniere werden einige Meter weit fortgeschleudert, aber nicht verletzt.

Dagegen zerfetzt die Explosion Wollmann. Die beiden Beine des Unglücklichen werden abgerissen und mit dem Rumpf über den Zaun des Übungsplatzen und den nächsten Wall in die Schießstände geschleudert. Der mit dem Schlüsselbein herausgerissene rechte Arm liegt 100 Meter davon entfernt zwischen den Bäumen. Seine Kleidungsstücke sind außer den hohen Stiefel völlig verbrannt. Selbst seine Mütze ist in mehrere Teile zerrissen. Die Körperteile werden eingesammelt und ins Garnisonlazarett geschafft. Der Knall der Explosion war bis nach Tempelhof und Britz zu hören.

Der Sommer beginnt offiziell am 21. Juni, 11 Uhr und dauert bis zum 23. September, nachmittags um 2.00. Jedoch streicht ein frischer Wind durch die staubigen Straßen, so dass man zum Ausgehen warme Kleidung braucht. Der Sommer 1898 scheint denjenigen Wetterkundigen Recht zu geben, die behaupten, wir stünden in einer Periode kühler Sommer und milder Winter.

Ein kalter, frischer Trunk mundet, wenn die Sonnen glühenden Brand versendet, vortrefflich. Doch wer allzu hastig einen eiskalten Schluck in seine trockene Kehle schüttet, muss diesen Leichtsinn unter Umständen bitter büßen. Denn der plötzliche Temperaturwechsel, die unvermittelte Abkühlung der erhitzten Schleimhäute ruft bei empfindlichen Personen einen schmerzhaften Magendarmkatarrh hervor. Besonders gefährlich wirkt solch ein eisiger Schluck bei leerem Magen. Es ist deshalb eine bekannte Gewohnheit geübter Bergsteiger, bevor sie einen Erfrischungstrunk zu sich nehmen, ein kleines Quantum Cognac oder Rum vorauszuschicken.

Leider gibt es jedoch auch solche überdurstigen Menschenkinder, die diese alkoholische Einleitung nicht ungern sehen. Nun, statt der Spirituosen tut es auch ein harmloses Stückchen Brot. Will man seinen Magen ganz sicher vor der schädlichen Einwirkung des eisigen Labetrunks schützen, so mache man es sich zum Grundsatz, zuerst immer nur in ganz kleinen Portionen zu trinken, nachdem man sie im Mund etwas vorgewärmt hat.

Nach dem ersten und zweiten Schluck mache man eine kleine Pause. Bei dieser Vorsicht schadet ein kühler Trunk nicht nur nicht, er ist in sogar in gewissen Situationen zu empfehlen, bei denen er sonst ängstilich gemieden wird, wie z.B. beim Tanzen oder bei gymnastischen Übungen. Bedingung ist nur, dass man in der Beschäftigung, in der Bewegung, also in der Muskelarbeit keine längere Pause eintreten lässt oder sich gar dem Zugwind aussetzt.

So sollen wir also trinken: nicht zu hastig, nicht zu eisig, schluckweise, nachdem wir irgendeine Kleinigkeit zuvor genossen haben. Aber was sollen wir nun trinken? Sicher ist, dass kalter Kaffee oder Tee sehr viel nachhaltiger den Durst stillen als Bier und Wein. Der Arbeiter, der bei heißem Tageswerk Kaffee oder Tee trinkt, bleibt länger leistungsfähig als ein anderer, der zu Gambrinus´ Fahne schwört.

Ganz zu schweigen vom Branntwein, dessen belebende Wirkung nur kurze Zeit anhält. Auch für die Reise ist den beiden ersten Getränken der Vorzug zu geben. Die Unsitte, unterwegs auf allen größeren Stationen die verschiedenartigsten Biersorten zu probieren, wird nicht selten mit einer störenden Magenverstimmung oder noch Schlimmerem bezahlt. Ein zuverlässiges Mittel, rasch das quälende Durstgefühl zu beseitigen, besteht im Zusatz von etwas Speiseessig oder Zitronensaft zum Wasser.

Die Erhöhung der Preise für Spirituosen, die fortgesetzt die hiesigen Gastwirthe-Vereine beschäftigt, hat damit indirekt zu tun. Im Verein der Gastwirthe der Schönhauser Vorstadt versucht ein Vertreter des "Vereins der Likörfabrikanten und Branntwein-Interessen Deutschlands" die Preiserhöhung zu rechtfertigen. Die Erhöhung sei nicht willkürlich, sondern gleich mit dem Prozentsatz, um den der Spiritus in letzter Zeit teurer geworden ist. In lebhaften Auseinandersetzungen bekämpfen die Gastwirte diese Preiserhöhungen aufs Entschiedenste.

Um für das zweite Rathaus Platz zu schaffen, sollen insgesamt 32 Grundstücke geräumt werden. Davon entfallen auf die Jüdenstraße fünf Häuser, in der Parochialstraße werden neun Gebäude beseitigt werden, die Klosterstraße gibt zehn und die Stralauer Straße acht Grundstücke her. Eine vollständige Zentralisation der städtischen Büros wird aber auch dieses zweite Dienstgebäude nicht bringen. Doch werden die angemieteten Büros unter ein Dach gebracht und das Köllnische Rathaus, Dammmühlengebäude, Poststraße 16, Molkenmarkt 1 und Klosterstraße 68 entlastet.

Falko Hennig

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  Ausgabe 12 - 1998