Ausgabe 11 - 1998berliner stadtzeitung
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Milliardengrab auf Stelzen

Der Transrapid soll mit einer Volksinitiative gestoppt werden

Die Magnetschwebebahn Transrapid ist für die einen ein Symbol für die Zukunftsfähigkeit des Standortes Deutschlands, für die anderen fährt der Transrapid mit Vollgas in eine verkehrspolitische Sackgasse. Die Technikfreunde in den Bundes- und Landesregierungen haben sich dabei bisher gegen alle finanziellen Bedenken durchgesetzt, ohne allerdings eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung erreicht zu haben. Hier setzt nun eine Berliner Volksinitiative gegen den Transrapid an. Mit 90000 Unterschriften soll der Senat gezwungen werden, sich gegen den Bau der Magnetschwebebahn auszusprechen.

Der Transrapid soll einmal Hamburg und Berlin im Zehnminutentakt verbinden. Die Fahrzeit zwischen Hamburg-Hauptbahnhof und Berlin-Lehrter-Bahnhof soll etwa eine Stunde betragen, wobei in Schwerin ein Zwischenstopp vorgesehen ist. Im vergangenen Herbst einigte man sich auf die Streckenführung, für den in Berlin liegenden Teil der Trasse ist das Planfeststellungsverfahren jedoch noch nicht begonnen worden. Der Bau der Strecke wird insgesamt schätzungsweise 15 Milliarden Mark kosten. Die bestehende Bahnstrecke zwischen Hamburg und Berlin könnte schon mit 400 Millionen Mark auf eine Geschwindigkeit von 200 km/h ausgelegt werden. Ein Ausbau der Strecke für den Hochgeschwindigkeitszug ICE wäre mit 3,6 Milliarden immer noch vergleichsweise billig und könnte die Fahrzeit auf 90 Minuten senken. Der Transrapid ist also viermal so teuer, aber nur eine halbe Stunde schneller als der ICE.

Doch seitdem die Deutsche Bahn AG in den Transrapidbau eingebunden ist, liegt die ICE-Planung zwischen Hamburg und Berlin auf Eis, um der Magnetschwebebahn keine Konkurrenz zu machen. Somit bleibt zwischen den beiden größten deutschen Städten eine Lücke im sonst so erfolgreichen Hochgeschwindigkeitsnetz der Bahn. Die Magnetbahn bleibt dabei eine Insellösung, die nicht mit den anderen Verkehrsträgern vernetzbar ist.

Die Milliarden für den Bau der Strecke und für den Ausgleich der Verluste beim Betrieb des Transrapid zahlt der Bund. Mit den Steuergeldern werden so die Bau- und Betreiberfirmen Siemens, ADtranz und Deutsche Bahn erheblich subventioniert. Das geschieht nicht, um die Verkehrsverbindungen zwischen Hamburg und Berlin zu verbessern, sondern nur um eine Referenzstrecke vorweisen zu können, mit der die Exportchancen für den Transrapid erhöht werden sollen. Doch welcher rechnende Mensch kauft ein Verkehrssystem, das dauerhaft subventioniert werden muß? In Japan baut man daher lieber eine eigene Magnetschwebebahn.

Gesetz: 2+2=5

Die Wirtschaftlichkeitsberechnungen für den Transrapidbetrieb basieren auf völlig unrealistischen Fahrgastprognosen: Die Passagierzahlen aller Verkehrsträger zwischen Hamburg und Berlin müßten sich verdreifachen. Ein Bedarf ist so offensichtlich nicht vorhanden, daß die Bundesregierung eigens dafür das "Magnetschwebebahn-Bedarfsgesetz" erlassen hat, in dem der Bedarf gesetzlich festgeschrieben wird: "Es besteht Bedarf für den Neubau einer Magnetschwebebahn von Berlin nach Hamburg über Schwerin. Die Feststellung des Bedarfs ist für die Planfeststellung (...) verbindlich." Mit der gleichen Logik hätte man auch beschließen können, daß die Erde fortan eine Scheibe zu sein habe.

Nach der Fahrzeit gerechnet, rückt Hamburg mit dem Transrapid so nah an Berlin wie Oranienburg. Stadtentwicklungssenator Strieder, der nicht einmal eine funktionierende regionalplanerische Zusammenarbeit mit dem Berliner Umland zustande bringt, beschwört nun eine kooperative Metropolenregion Berlin-Hamburg-Schwerin, die der Transrapid herbeiführen soll. Das offenbart eine völlige Ignoranz gegenüber dem ländlichen Raum, der zwischen Hamburg und Berlin liegt. Er wird zum bloßen Transitraum abgewertet, bei dem man sich allenfalls um das Landschaftsbild sorgt, das sich dem Reisenden bietet, der bei Tempo 400 aus dem Seitenfenster schaut. Gleichzeitig legt die Bahn in Brandenburg eine Nebenstrecke nach der anderen still. Die Hoffnung der zukünftigen Transrapidbetreiber, daß ein Großteil der Fahrgäste Arbeitspendler sein werden, darf angezweifelt werden: Eine einfache Fahrt soll 180 Mark kosten.

"Ein wichtiges Element von Stadterlebnis und Urbanität"

Problematisch bei der Trassierung ist vor allem die innerstädtische Streckenführung. In Berlin führt der Transrapid von Falkensee kommend durch Spandau, entlang der Spree und dem nördlichen S-Bahn-Ring folgend zum Lehrter Bahnhof. Mehrere Kleingartenkolonien und ökologisch wertvolle, verwilderte Brachflächen werden dem Transrapid weichen müssen. Anwohner der Trasse können sich darauf gefaßt machen, daß der aufgeständerte Transrapid auf der Höhe des dritten Stocks an den Wohnungen vorbeidröhnt. Im Stadtforum des Stadtentwicklungssenators formulierte man das so: "Der Transrapid kann ein wichtiges Element von Stadterlebnis und Urbanität werden."

Man kann bei der Magnetschwebebahn kaum von einer neuen Technologie sprechen. Die Planungen für den Transrapid laufen schon seit 1971. Mit einem ähnlichen Projekt hat Berlin schon Erfahrungen sammeln können: Von 1984 bis 1991 pendelte die M-Bahn zwischen Gleisdreieck und Kemperplatz. Nachdem der "Mini-Transrapid" für die Bebauung des Potsdamer Platzes abgerissen wurden, fand sich jahrelang keine neue Einsatzmöglichkeit, so daß die M-Bahn 1994 vollständig in der Schrottpresse endete.

Um solch ein Desaster im Großen zu verhindern, sammelt die Volksinitiative "BürgerInnen gegen den Transrapid" an mehr als 100 Stellen in Berlin Unterschriften. Kommen bis Ende September 90000 Unterstützerunterschriften zusammen, muß sich das Abgeordnetenhaus mit der Problematik befassen. Zwingende Konsequenzen hat eine Volksinitiative nicht. Die Initiatoren - BUND, Bürgerinitiative Staaken sowie Abgeordnete von Bündnisgrünen, SPD und PDS - erhoffen sich jedoch von einer breiten Beteiligung "ein deutliches Votum mündiger Bürger gegen eine verfehlte Politik."

js

Koordinationsstelle der Volksinitiative beim BUND Berlin, Crellestr. 35,
10827 Berlin, fon 78 79 00-0 und -17

Weiterführende Links zum Thema "Transrapid":

  • index
  • Hearing Rothengatter zum Transrapid Berlin - Hamburg
  • Transrapid Informations Resourcen Homepage
  • Ergebnisse des Volksbegehrens zum Transrapid in Brandenburg
  • epilog - 60 Minuten von Zentrum zu Zentrum (Berliner Wirtschaft 6/1996)
  • Die offizielle Transrapid Homepage der MVP
  • Wirtschaftlichkeit des Transrapid-Vorhabens Hamburg - Berlin
  • Infos über den Transrapid
  • Buchtip: "Transrapid in der Diskussion"
  • Eine Stichwortsuche zum Thema "Transrapid" im Archiv der Berliner Zeitung lohnt sich, auch wenn v.a. um ältere Artikel gefunden werden.
  • Homepage der BI Staaken: Stoppt Transrapid
  • Homepage von Greenpeace. Infos zum Transrapid sind dort über die Suchfunktion abzurufen.
  • Beitrag zum Transrapid in "Der Stachel" Nummer 139 mai 98, herausgegeben von Bündnis 90-Die Grünen

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