Ausgabe 09 - 1998berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Ein Wink mit der Brechstange

Die Entmietung der Gleimstraße 44 wird mit rabiaten Mitteln beschleunigt

Bei der Wohnungsumwandlung in Eigentumswohnungen sind die alten Mieter meist im Weg. Eigentümer und Umwandler sind deshalb mit ihren Methoden zur Entmietung oft nicht zimperlich. Der Kauf eines Mietshauses, die umfassende Modernisierung und der anschließende Verkauf als einzelne Eigentumswohnungen ist ein äußerst einträgliches Geschäft, in dem Mieter allerdings stören, weil sie durch ihre bloße Anwesenheit die Gewinnaussichten schmälern. Um die Wohnungen leerzuziehen, verfolgen Eigentümergesellschaften leider oft unsaubere Praktiken.

So geschehen in der Gleimstraße 44. Das Haus wurde bis 1996 von der WIP verwaltet und hat seitdem mehrmals den Besitzer gewechselt. Zuletzt hatte die Zwischenerwerberfirma estreel aus Magdeburg dem jetzigen Eigentümer Hägele-Immobilien das Haus als leer verkauft, doch wohnten Ende April dort noch sieben Mietparteien. Mit einer Mischung aus Verunsicherung, Schikane und krimineller Energie werden diese nun freundlichst darum gebeten, sich andere Wohnungen zu suchen.

Trotz noch ausstehender Baugenehmigung wurden schon bauvorbereitende Maßnahmen getroffen: Entrümpelung, Einrüstung, Kranaufstellung und so weiter. In den vielen leerstehenden Wohnungen wurde schon mit der Entkernung begonnen. Die Folgen sind dauernder Baulärm und-dreck, die für die verbliebenen Mieter kaum erträglich sind. Vorläufiger Höhepunkt war der Aufbruch einer Wohnung im Seitenflügel. Sie wurde offensichtlich von Bauarbeitern aufgebrochen, die nicht wußten oder nicht wissen wollten, daß die Räume noch bewohnt sind. Zwar ist nichts gestohlen worden, doch mußte die Mieterin auf eigene Kosten die Tür reparieren lassen, um die Wohnung überhaupt wieder abschließen zu können. Dieser Mieterin ist bereits im Januar eine fristlose Kündigung ausgesprochen worden, die jedoch aufgrund ihrer haltlosen Begründung, die Mieterin hätte eine andere Wohnung vermietet, unwirksam war. Tatsächlich hatte sie nur die Betroffenenvertretung auf den fortschreitenden Leerstand aufmerksam gemacht.

Die von estreel angebotenen Umsetzwohnungen waren keineswegs gleichwertig, so daß sich die Mieter gezwungen sahen, selbst eine neue Wohnung zu suchen. Die für die Bewohner zeitaufwendige und nervenaufreibende Zermürbetaktik der estreel geht offenbar auf. Nur zwei Mietparteien wollen nach der Modernisierung überhaupt zurück in die Gleimstraße 44 ziehen. Das Gehen wird ihnen mit Umzugskostenerstattung und Aufwandsentschädigung von der estreel zu erleichtern versucht.

Mit dem gleichen Ziel - Entmietung zur Vorbereitung der Umwandlung in Eigentumswohnungen - ist die Firma estreel auch in Häusern in der Ystader Straße und der Gartenstraße tätig. Betroffene Mieter sollten sich ein dickes Fell zulegen.

js

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