Ausgabe 07 - 1998berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Haben Sie Teppiche?

Das Telefon klingelt, ich hebe ab: Ein Fehler.

"Hallo? - "Guten Tag, Krüger mein Name, Bürgerlich-Liberales Auskunftsbüro (BLA), wir führen ein Umfrage durch." "Aha", sage ich und lege auf.

Es klingelt erneut, ich hebe ab: Ein zweiter Fehler.

"Krüger nochmal. Sind Sie Hebamme, Rechtsanwalt oder Journalist?" - "Wie?... Nein." - "Dann sind Sie laut Beschluß des Bundestags vom 3.3. diesen Jahres verpflichtet, mir Auskunft zu geben. Lauschangriff, Sie verstehen."

"Ich dachte, dabei gehe es um Verbrechensbekämpfung?"

"Nein, nein, das haben Sie falsch verstanden: Beim sogenanten Lauschangriff geht es vornehmlich um Meinungsforschung. Da sind Sie nun allerdings auskunftspflichtig. Es sei denn Sie wären Hebamme, Rechtsanwalt oder Journalist: dann hätten Sie ein Zeugnisverweigerungsrecht. - Erste Frage: Haben Sie Teppiche in Ihrer Wohnung? - Wußten Sie, daß in Ihren Teppichen Tiere leben, die unter dem Mikroskop eklig aussehen? - Haben Sie schon einmal von der Firma Kürbie gehört? - Wären Sie an weiteren Informationen über unser neuartiges, vielfach patentiertes Staubrückhaltesystem interessiert?"

"Ja, ja, ja, JA."

"Vielen Dank, daß Sie mitgemacht haben. Wir haben auch ein Geschenk für Sie, daß Sie auf jeden Fall behalten können. Wollen Sie dieses Geschenk haben?"

"Ja."

"Dann geben Sie uns Ihre Adresse."

"Weiß nicht, keine Angabe, enthalte mich der Stimme, kann mich nicht erinnern..."

"... kann mit Bußgeld bis zu 5000 Mark oder Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft werden."

"Also gut: Ackerstraße 169."

"Schön. Und wann soll unser Mitarbeiter vorbeikommen, um Ihnen das Geschenk zu bringen?"

"Freitag Mittag?"

"Und da sind Sie auch da?!"

"Ja..."

Gut gelaunt und braungebrannt, Sportschuh, Flanellhemd (lässig und doch korrekt), lockiges Haar und Goldkettchen, kam er auf mich zu. "Ah, ich werde erwartet", sagte er, und ich mußte ihm die Hand schütteln. Ein Ossi. Der Staubsauger und sein Zubehör hingen in zwei riesigen, roten Beuteln über seinen Schultern. "Keine Angst, ich will hier nicht einziehen", sagte er, und ich dachte: Ah, ein Witz. Den werd´ ich später in einem Text verwenden´ und führte ihn ins Wohnzimmer.

Er begann seine Höllenmaschine aufzubauen, führte ein paar Tricks vor, dann mußte ich meinen Staubsauger holen, die Maschinen traten zu einem Vergleichstest an; in einem Glas hatte er besonders sauberen Schmutz mitgebracht. Sterilisierten Schmutz.

Der Rowenta versagte auf der ganzen Linie. Das ist konstruktionsbedingt. Der Kürbie hat 58 weltweite Patente und kommt aus Amerika.

Immer wieder sagte er, fast beschwörend: "Das ist doch nichts Schlimmes" (seine catch phrase wie die Komiker sagen). Viel Elend hatte er gesehen in deutschen Wohnzimmern. "Das ist doch nichts Schlimmes." Daß er jetzt Staubsaugervertreter geworden war: Wenn alles normal gelaufen wäre, dann wär er jetzt Abteilungsleiter im Kombinat. "Das ist doch nichts Schlimmes." Und vielleicht wäre seine Frau ihm nicht davongelaufen...

Das Verkaufsgespräch begann. Er sagte: "Sie sind doch sicher auch für Sauberkeit?" Ich sagte: "Nein."

"Hören Sie, jeder ist für Sauberkeit. Sie haben einen Witz gemacht." Ich hatte ihm erzählt, ich sei Komiker: Darunter können sich auch Menschen aus dem Volk etwas vorstellen.

Ich weigerte mich zuzugeben, daß ich einen Witz gemacht hätte. Schmuddelig: Das fänd´ ich gemütlich.

"Wäre Ihnen denn Sauberkeit 1 Mark pro Tag wert?"

"Nein." Soweit kommt´s noch, daß ich mir von ´nem Ossi was andrehen lasse. Soweit kommt´s noch.

Hans Duschke

Bov Bjerg weiß, daß es ein superscharfes Küchenmesser als Geschenk gab.

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