Ausgabe 03 - 1998berliner stadtzeitung
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Baustadtratkegeln

In den Ost-Innenstadtbezirken stehen drei Baustadträtinnen unter Beschuß

Als wäre das Abwählen von Baustadträten in den Ostbezirken eine besonders beliebte Disziplin der Bezirksverordnetenversammlungen (BVV): Zur Zeit stehen gleich drei Baustadträtinnen in der Kritik - in Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain. Debütantinnen sind alle drei nicht mehr:

Friedrichshains Baustadträtin Martina Albinus-Kloss (für PDS) wird seit geraumer Zeit nicht nur von den Bündnisgrünen, sondern auch aus der eigenen Fraktion eine Politik der Abrisse und Investorenanbiederung vorgeworfen. "Weder zum ersten noch zum letzten Mal wird der Bezirk damit konfrontiert, daß Leerstand nur durch Abbruch und Neubau zu beseitigen ist", hatte Albinus-Kloss den Abriß der Mainzer Straße 13/13a verteidigt - diese eigenwillige Philosophie eines Leerstandsbeseitigungsprogramms kam allerdings selbst in der eigenen Fraktion nicht so gut an. Konkret wird zur Zeit der (buchstäbliche) Fall der Rigaer Straße 27 untersucht, deren Abriß im Januar 1996 durch den Investor, die Bayerische Hausbau, begonnen worden war. Albinus-Kloss will von einem Abrißvorhaben nichts gewußt haben. Zur Prüfung des Sachverhalts wurde ein Zeitweiliger Ausschuß "Rigaer Straße 27" eingesetzt, dem Albinus-Kloss nun Akteneinsicht gewähren muß, wie das Verwaltungsgericht kürzlich entschieden hat.

Dorothee Dubrau, die bündnisgrüne Baustadträtin in Prenzlauer Berg, wird das Gegenteil, nämlich Investorenfeindlichkeit vorgeworfen. Sie verschleppe Vorhaben wie das Bötzow-Center, begründete u.a. die CDU-Fraktion ihren Abwahlantrag. In der denkmalgeschützten Bötzow-Brauerei hatte der Investor OMG den Abriß von ca. 50% der Substanz durchgesetzt, was Dubrau kritisiert hatte. Auch die PDS würde Dubrau gern abwählen, hat aber das Problem, sich dem CDU-Vorwurf der Investorenfeindlichkeit schlecht anschliessen zu können, weshalb eher die "Allgemeine Amtsführung" bemängelt wird. Dasselbe ist Dubrau schon mal passiert, nämlich in Mitte 1995. Damals hatte der damalige Bezirksbürgermeister Keil (SPD) mit Unterstützung dreier PDS-Stadträtinnen der Baustadträtin während deren kurzer Dienstreise die wichtigsten Ämter entzogen und kurzerhand einem Investor einen Bauvorbescheid erteilt, dessen Vorhaben - den Abriß der Höffnerschen Möbelfabrik - Dubrau angeblich verschleppt habe. Keil fand den Abschluß eines Städtebaulichen Vertrages mit dem Investor überflüssig: "Zu einem Investor muß man auch mal Vertrauen haben." Dubraus Kaltstellung zog damals heftige Proteste nach sich.

Politisch folgerichtig steht nun wiederum Dubraus Amtsnachfolgerin in Mitte, die für die PDS angetretene Baustadträtin Karin Baumert, unter dem Beschuß der bündnisgrünen Fraktion, dem sich allerdings auch SPD und CDU anschließen. Einen ersten Abwahlantrag hatte es im Herbst letzten Jahres wegen der "Mieterstadt-Affäre" gegeben: Baumert habe die BVV belogen und gegen die Landeshaushaltsordnung verstoßen. Karin Baumert hatte anschließend Fehler eingeräumt, der Abwahlantrag verfehlte nur knapp die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. Anfang diesen Jahres gab es den zweiten Antrag (die BVV-Abstimmung fand nach Redaktionsschluß statt): Baumert habe der BVV Falschauskunft über den Vertragsabschluß mit den Wochenmarkthändlern vor dem Roten Rathaus erteilt.

us

Kommentar

Gemessen an dem Pensum und den Aufgaben, mit denen das Bauressort in Mitte konfrontiert ist, klingt der Wochenmarktvertragsvorwurf gegen Baumert einigermaßen banal. Origineller ist da schon ein Vorwurf, den die Berliner Zeitung zu Dorothee Dubrau zitierte: "Kann Familien-Wegzug nicht stoppen."

Dubrau kann Familien-Wegzug nicht stoppen. Für ein großes Berliner Innenstadt-Thema, nämlich die vielbeklagte Stadtflucht und Abwanderung ins Umland, wäre somit zumindest eine Schuldige gefunden. Daß die Opposition im Abgeordnetenhaus diese Argumentation nicht aufgreift, ist ein schwerer Fehler: Schließlich ließe sich so nicht nur der Rücktritt von Bausenator Klemann (CDU) und Umweltsenator Strieder (SPD) fordern, sondern mit ein wenig geschickter Argumentation die des ganzen Senats: Kann die Berliner Stadtflucht nicht stoppen. Kommt nicht auf innovative Ideen wie die elektronische Fußfessel für Abwanderungswillige. Den Lauschangriff auf umzugsplanende Familien. Ein schwieriges Problem, sicher. Selbst die Ulbrichtsche Methode war, wie wir heute wissen, nur begrenzt erfolgreich und scheiterte letzten Endes.

Aber hinter Aufhängern wie dem Wochenmarkt-Vertragsabschluß gibt es handfeste Ursachen. Es ist schließlich kein Zufall, daß es sich um die Bauressorts der drei östlichen Innenstadtbezirke handelt. Jener Bezirke also, in denen eine massive Bautätigkeit stattfindet, in denen es neben Sanierungsgebieten Investorengroßprojekte gibt, in denen der Druck durch Investoren am größten ist, in denen unterschiedlichste Interessenlagen aufeinander stoßen und fast jede Entscheidung stadtpolitisches Gewicht hat. Dazu gehören Debatten über Abrisse oder über den kritischen oder unkritischen Umgang mit Investoren zwangsläufig. Sie spiegeln grundsätzliche Fragen nach dem Umgang mit der Stadt, wie die, ob man Investoren Grundstücke hinterherwerfen soll aus Angst, daß sie sonst nicht "investieren". Hinzu kommen die unterschiedlichen politischen Interessenlagen in den Bezirken und den BVVen und Konflikte in den Ämtern. So wird Karin Baumert autoritäre Amtsführung vorgeworfen; die PDS-Fraktion Prenzlauer Berg fühlt sich vernachlässigt und beklagt sich, daß Dorothee Dubrau nie für Debatten zur Verfügung stünde.

Aber genau wegen der Brisanz, die das Bauressort in den östlichen Innenstadtbezirken zu bewältigen hat, wären die Bezirke gut beraten, sich tatsächlich auf jene politischen Diskussionen zu konzentrieren. Die Gefahr, sich in einem Kleinkrieg zu verlieren, der in den Augen der Bewohner lediglich Geplänkel ist und an wesentlichen Aufgaben vorbeigeht, ist groß, auch wenn manche Kritik berechtigt ist. In die Hände gespielt würde damit jenen, die die Bezirke ohnehin als lästiges Hindernis bei der Berliner Hauptstadtwerdung betrachten.

us

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