Ausgabe 02 - 1998berliner stadtzeitung
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Undankbares Berlin

Die Zwischenbilanz zum "Planwerk Innenstadt" zeigte vor allem eines: Daß nicht mehr viel davon übrig ist. Die Stadt ist einfach zu unreif, um den großen Wurf gebührend zu würdigen: das kommt dabei heraus, wenn man ZEIT-Redakteur Klaus Hartung folgt. Auf dem letzten Stadtforum wurde Zwischenbilanz zum seit einem Jahr umstrittenen "Planwerk Innenstadt" der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gezogen, das eine massive Verdichtung besonders der östlichen Innenstadt vorsieht.

Masterplan-Relativierung Nummer Eins: während ursprünglich vorgesehen war, das gigantische Vorhaben sozusagen im Schweinsgalopp noch im Sommer 1997 durchs Abgeordnetenhaus zum Beschluß zu jagen, ist die "Zeitschiene" nun bis Ende diesen Jahres verlängert worden. Doch während Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) von lauter Konsens sprach, den man mit den Bezirken gefunden hätte, wurde dies durch die Bezirksvertreter nicht bestätigt. Nicht nur die Baustadträte von Mitte, Tiergarten und Charlottenburg meldeten Dissens für die jeweiligen Planquadrate in ihren Bezirken an: auf Strieders Pressekonferenz kritisierte auch sein Parteikollege, der Schöneberger Baustadtrat Otto Edel: "Die Stadt verträgt kurzfristig nicht all dies, was an der Wand zu sehen ist." sie habe schon genug mit 37 Sanierungsgebieten, sieben Entwicklungsgebieten und dem Potsdamer Platz zu tun: "Das muß die Stadt erstmal aufnehmen." Da, wie Strieder selbst sagt, das Planwerk auch als Senatsbeschluß keine rechtliche Kraft hat ohne ensprechende Bezirksbeschlüsse, zerfällt das Planwerk in einige wenige Teilbereiche, wo - wie z.B. am Molkenmarkt - ohnehin weitgehend Konsens herrschte. Doch für einzelne Bebauungspläne hätte es keines Planwerks bedurft.

Aber nicht nur in der eigenen Partei, auch bei der PDS, der CDU und Teilen der Bündnisgrünen gibt es Widerspruch. Strieder hatte das Planwerk auch als ein Koalitionsangebot an die Bündnisgrünen gemeint. Auf dem Stadtforum wies Dirk Kaden von der Bürgerinitiative Alexanderplatz noch einmal darauf hin, daß es nicht um Widerspruch in planerischen Details gehe, sondern um die Grundsätze des Planwerks: In den "Planwerkstätten", die eine demokratische Debatte über das Planwerk darstellen sollten, habe der "historische Grundriß" als Grundlage von vornherein festgestanden, lediglich die Aufrisse seien darauf herumgeschoben worden. Der Projektentwickler Hans-Erhard Haverkampf bezeichnete die Philosophie, einen Plan ins Werk zu setzen und dann werde Stadt, schlicht als Quatsch, und FREITAG-Chefredakteur Detlev Lücke (das Ost-Alibi des Podiums) stellte fest, daß Roßkuren der Stadt selten gutgetan hätten und bei allen Debatten eines fehle, was eigentlich reichlich zur Verfügung stünde: Zeit.

Blieb die Flucht der Planwerksverfechter nach vorn: Hartung fand, daß das Planwerk nicht darauf angewiesen sei, Mehrheitsvoten zu gewinnen, im übrigen sei Berlin eine einzige Abnormität. Das Planwerk sei ein Erfolg, ein Test für die Reife der Stadt, die Kritik daran sei pure "Abwehrreaktion", die der größte Erfolg des Planwerks sein werde, und die Kritik aus dem Ostteil der Stadt ein "Opferjargon, der bald kein Maß fand" etc.

Wenigstens in einem können die Planwerk-Kritiker Hartungs Logik wohl weiterführen: Die Stadt hat dieses Planwerk eigentlich nicht verdient.

us

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